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INTERNATIONAL/243: Entwicklung - Aufstieg und Fall der weltärmsten Staaten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. Januar 2015

Entwicklung:
Aufstieg und Fall der weltärmsten Staaten

von Thalif Deen


Bild: © Michelle Tolson/IPS

Als Mitglied der Gruppe der ärmsten Länder darf Kambodscha Fisch und andere Produkte zollfrei in die EU exportieren
Bild: © Michelle Tolson/IPS

New York, 7. Januar (IPS) - Trotz der internationalen Zugeständnisse für die ärmsten Staaten der Welt (LDCs), einer von den Vereinten Nationen anerkannten Sonderkategorie von Entwicklungsländern, ist erst drei Mitgliedern - Botswana, den Kapverden und den Malediven - der Aufstieg in die Riege der Entwicklungsländer gelungen. Doch sollen bald zehn weitere folgen.

Auf einem von der UN geförderten Ministertreffen der asiatisch-pazifischen Staaten in Nepal im vergangenen Monat wurden Bangladesch, Bhutan, Kambodscha und Laos als die nächsten LDCs gehandelt, denen ein Ausscheren aus dem Staatenbund der Ärmsten der Armen aufgrund ihrer jüngsten Wirtschafts- und Sozialindikatoren in nächster Zeit gelingen könnte.

Da auch Tuvalu, Vanuatu, Kiribati, Samoa und die beiden afrikanischen erdölproduzierenden Länder Angola und Äquatorialguinea viel versprechende Wachstumsprognosen vorweisen können, gehen Beobachter davon aus, dass sie 2020 oder danach die Riege der LDCs verlassen werden.

Allerdings gibt es einige Faktoren, die eine allzu schnelle Aufwertung wenig erstrebenswert erscheinen lassen. Dazu gehören die Folgen der globalen Wirtschaftsrezession, die langfristigen Auswirkungen des Erdölpreisverfalls, der Kaufkraftverlust seit dem Niedergang etlicher Währungen und die Ebola-Epidemie in Afrika.

Botschafter Anwarul Karim Chowdhury, von 2002 bis 2007 UN-Untergeneralsekretär und Hoher Vertreter für die LDCs, die landeingeschlossenen Staaten und kleinen Inselentwicklungsländer, wies im IPS-Gespräch darauf hin, dass sich die Teilnehmer der LDC-Konferenz in Istanbul im Jahre 2011 das Ziel gesetzt hätten, die Zahl der LDCs bis 2020 auf 24 zu halbieren. Allerdings sieht er die Gefahr, dass die schematische Umsetzung der Ziele im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit zu unerwünschten Nebenerscheinungen auf nationaler und globaler Ebene führen könnte.


Erfolge in der Armutsbekämpfung erforderlich

Eine Aufwertung der LDCs sollte nur erfolgen, wenn die in Frage kommenden Länder im Kampf gegen die Armut und gegen Strukturmängel gewisse Erfolge vorweisen könnten, betonte Chowdhury. "Doch da es in den meisten LDCs in diesen beiden Bereichen eher düster aussieht, wäre es sowohl für die ärmsten Länder als auch für ihre Entwicklungspartner unklug, die Aufwertung zu forcieren." Seiner Meinung nach wäre es wichtig, die Zivilgesellschaft in den Prozess einzubinden, um zu verhindern, dass die Normalbürger am Ende einen hohen Preis zu zahlen hätten.

Nach Angaben der Vereinten Nationen leben in den LDCs mehr als 880 Millionen Menschen, die gerade einmal zu zwei Prozent am globalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) beteiligt sind. Die Armutsbekämpfung in den LDCs ist auch eine Schlüsselkomponente in dem Bemühen, die Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) der Vereinten Nationen bis Ende 2015 zu erreichen.

Die LDCs genießen im Umgang mit den Gebern und multilateralen Organisationen eine Sonderbehandlung. Auch werden ihnen innerhalb regionaler und multilateraler Handelsverträge besondere Zugeständnisse gemacht. Der Verlust des LDC-Sonderstatus würde mit dem Wegfall oder der Einschränkung von Handelspräferenzen, Entwicklungshilfe (ODA) einschließlich der finanziellen und technischen Zusammenarbeit sowie anderen Formen der Unterstützung wie Reisezuschüsse, die den Vertretern der LDCs die Teilnahme an UN-Konferenzen und anderen Treffen multilateraler Institutionen ermöglichen, einhergehen.

Laut Arjun Karki, Präsident des ländlichen Wiederaufbaus Nepals und internationaler Koordinator von 'LDC Watch', einem Netzwerk aus LDC-Nichtregierungsorganisationen, ist es unwahrscheinlich, dass das Istanbuler Aktionsprogramm von 2011 umgesetzt werden kann. Schon jetzt seien die Zwischenetappen, um 24 LDCs den Aufstieg in die Riege der Entwicklungsländer bis 2020 zu ermöglichen, nicht erreicht.

34 der 48 LDCs liegen in Afrika. Doch nur Angola und Äquatorialguinea werden gute Aufstiegschancen eingeräumt, da ihr Pro-Kopf-BIP den Mindestwert von 1.900 US-Dollar bei weiten übersteigt. Weniger gut schneiden die Länder in Sachen menschliche Ressourcen und wirtschaftliche Sicherheit ab. Karki zufolge werden die beiden Länder nur dann aufrücken können, wenn die Regierungen und Entwicklungspartner über den politischen Willen verfügen, die Staaten voranzubringen.

Gyan Chandra Acharya, der derzeitige Untergeneralsekretär und Hohe Vertreter der LDCs, der landeingeschlossenen Länder und kleinen Inselstaaten, betonte auf dem Ministertreffen in Nepal, dass die Aufwertung als Beginn eines Prozesses zur Verbesserung der wirtschaftlichen Strukturen und Lebensbedingungen der Menschen der betroffenen Staaten verstanden werden sollte.


Nachhaltiger Übergang gefragt

Es gelte für eine nachhaltige Aufwertung zu sorgen, die die Entwicklung der produktiven Kapazitäten, einen gelungenen strukturellen Übergang und eine nachhaltige Verbesserung des menschlichen und sozialen Kapitals beinhalte. Es gelte für Investitionen in den Produktivsektor und neue Technologien zu sorgen und den Staaten zu helfen, sich gegen externe Schocks wie Klimaanomalien, Naturkatastrophen und Wirtschaftskrisen zu wappnen.

Chowdhury zufolge ist es ferner wichtig, dass der Hohe Vertreter den Konsultativmechanismus, der den leichten Übergang ermöglichen soll, fest im Blick behält und sich persönlich dafür einsetzt, dass den aufsteigenden LDCs die Hilfe des gesamten UN-Systems zuteil wird, die sie so dringend brauchen.

Der UN-Botschafter bedauert, dass die Weltbank als größter Kreditgeber den LDC-Ländern die Anerkennung des UN-Sonderstatus vorenthält. "Daran konnten auch meine vielen Besuche und Bemühungen, mit der Weltbankzentrale in dieser Sache einig zu werden, nichts ändern." (Ende/IPS/kb/2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/01/the-rise-and-fall-of-the-worlds-poorest-nations/

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IPS-Tagesdienst vom 7. Januar 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Januar 2015


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