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INTERNATIONAL/291: Einfluss des Doing-Business-Berichts der Weltbank auf politische Entscheidungen (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2015

Gute Stadt - Böse Stadt
Landromantik vs. Stadt für alle

DOING-BUSINESS-BERICHT
Der Einfluss der bedeutendsten Weltbank-Publikation auf politische Entscheidungen

von Tiago Stichelmans


Kürzlich veröffentlichte die Weltbank ihren vielbeachteten Doing-Business-Bericht 2016 (DBR), einen großen jährlichen Bericht, der Länder hinsichtlich ihres Geschäftsklimas kategorisiert. Die jüngste Ausgabe enthält eine Reihe methodischer Änderungen, womit auf Kritik am Bericht reagiert wird, die eine Vielzahl von Akteuren vorgebracht hatte. Bei der Würdigung des Beitrags, den gerade kleine und mittlere Unternehmen (KMU) für die Entwicklung leisten, scheint sich jedoch wenig geändert zu haben.


Der seit 2002 durchgeführte Doing-Business-Bericht bewertet das Geschäftsklima in 189 Ländern anhand von zehn Indikatoren. Diese Indikatoren sind: Gründung eines Betriebs; Umgang mit Baubestimmungen; Zugang zu elektrischem Strom; Eintragung von Eigentum; Zugang zu Kapital; Schutz für Minderheitsinvestoren; Besteuerung; Grenzüberschreitender Handel; Durchsetzbarkeit von Verträgen; Konkursvermeidung. Zum Bericht gehört auch ein Indikator Regulierung des Arbeitsmarktes, der jedoch bei Aufstellung des Rankings nicht herangezogen wird. Jeder der Indikatoren soll helfen, die Vorschriften einzuschätzen, von denen KMU betroffen sind. Bewertet werden sowohl Gegenstand als auch Ausmaß dieser Vorschriften.

Obgleich die Ergebnisse des Berichts wenig mit der Wirklichkeit zu tun haben, haben sie eine hohe Wirkung auf politische Entscheidungen, besonders in Entwicklungsländern. Er kommt häufig in den Medien vor und wird von Wohltätern, Regierungen und Wissenschaftlern bei Analysen und vergleichenden Länderberichten genutzt. Seit 2004 sind etwa 120.000 Artikel erschienen(1), die auf die Doing-Business-Berichte Bezug nehmen.

In Entwicklungsländern wurde der Bericht als Basis für Reformprogramme genutzt, beispielsweise in Ruanda, Zambia und neuerdings in Indien, wo die Regierung eine Verbesserung im Ranking dieses Berichts ausdrücklich als Ziel ihrer Reformpolitik ausgewiesen hat.


Die Genese des Doing-Business-Berichts

Für die Ausgabe 2016 wurden eine Reihe methodischer Veränderungen vorgenommen, die entwickelt wurden, nachdem die unabhängige Evaluationsgruppe(2) (ein durch die Weltbank eingesetztes unabhängiges Gremium) sowie NGOs intensiv Kritik am Bericht geübt hatten. Die Folgerungen der Evaluationsgruppe entsprechen den Vermutungen der NGOs: Der DBR hat keine Relevanz für die beiden von der Weltbank selbst gesetzten Ziele, extreme Armut zu beenden und gemeinsamen Wohlstand zu fördern.

Die Veränderungen betreffen drei Bereiche. Erstens veränderte die Bank die Berechnungsgrundlage des Rankings. Zweitens schließen die Fallstudien, aus denen die Daten erhoben werden, für diejenigen elf Staaten, die mehr als 100 Millionen Einwohner haben, nun jeweils eine zweite Stadt ein. Und drittens wurden einige Indikatoren dadurch verändert, dass sie nun sowohl breiter operationalisiert als auch anders erhoben werden. Die Verbreiterung der erhobenen Daten erhöht die Verwertbarkeit des Berichtes, insbesondere werden nun mehr qualitative Daten erhoben. Dennoch verfehlen die in die Ausgaben für 2015 und 2016 aufgenommenen methodischen Änderungen das eigentliche Ziel, zum Abbau der Armut beizutragen.


Universallösungen für Entwicklung

Der DBR krankt an drei Hauptproblemen. Vor allem bilden seine Indikatoren die sozialen und ökonomischen Vorteile bzw. die Kosten und Risiken gesetzlicher Regulierungen nicht ab. Er versteht solche Regulierungen als Hindernisse für Markteffizienz. Dieser Annahme zufolge müssen solche Hindernisse entfernt werden, um eine Verringerung der Armut zu erreichen. Der Bericht der Evaluationsgruppe stellt fest, Regulierung spiele "eine notwendige Rolle für das Funktionieren von Märkten und beim Schutz der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit". Übersetzung: Unzureichende Regulierung kann die Entwicklung der Privatwirtschaft behindern. Außerdem ignorieren die Indikatoren des DBR, beispielsweise die zur Unternehmensbesteuerung, negative Nebenwirkungen, besonders in Entwicklungsländern. Hauptinhalt dieses Indikators ist die Besteuerung von KMU, jedoch sind die Unter-Indikatoren "Steuersatz" und "Häufigkeit der Zahlungen" kaum relevant für eine sachliche Einschätzung der Steuerbelastung von KMU.

Zweitens, im Gegensatz zu den Prinzipien effektiver Hilfe, unterstützen DBR-Indikatoren Universallösungen für Entwicklung. Die Busan-Erklärung zu Hilfseffektivität benennt fünf Prinzipien zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Entwicklungsbereich. Die Erklärung betont Eigentum als das erste dieser Prinzipien und stellt fest: "Entwicklungspartnerschaften können nur dann erfolgreich sein, wenn sie von den Entwicklungsländern geleitet werden und Vorgehensweisen wählen, die an die Verhältnisse und den Bedarf des jeweiligen Landes angepasst sind."

Der DBR basiert auf der Annahme, es gäbe grundsätzlich "gute" und "schlechte" Strategien. Diese Prämisse verdrängt, dass es immer nötig ist, den spezifischen Kontext jedes untersuchten Landes zu berücksichtigen. Die Weltbank erklärt selbst, der DBR solle nicht als Universalmodell betrachtet werden. Dennoch hält ihre Öffentlichkeitsarbeit bezüglich des Berichts genau diesen Eindruck aufrecht. Zudem tritt der DBR entschieden für Deregulierung als beste Strategie zur Förderung des Privatsektors ein.


Indikatoren bilden nicht die Wirklichkeit ab

Drittens nutzen die DBR-Indikatoren Anwaltskanzleien als Hauptquelle für ihre Daten. Dies ist problematisch, da es dazu führt, dass die Analyse oft wenig mit der Wirklichkeit zu tun hat. Die tatsächliche Anwendung von Gesetzen und Bestimmungen ebenso wie die reale Korruption tauchen im Bericht nicht auf. Des Weiteren ist die Relevanz einiger Indikatoren fraglich, wenn nach den wirklichen Bedürfnissen von KMU in Entwicklungsländern gefragt wird. Eine kürzlich im Journal of Economic Perspectives erschienene Studie(3) zweier Ökonomen der Weltbank und der Harvard-Universität zeigt, dass die Indikatoren des DBR die Wirklichkeit von KMU nicht einfangen. Ausgehend von den von der Weltbank selbst erstellten Enterprise Surveys führen die Autoren vor, dass es über alle Länder hinweg so gut wie keine Korrelation zwischen den DBR-Ergebnissen und den Antworten aus den Enterprise Surveys gibt. In einem Interview mit dem Wall Street Journal stellt einer der Autoren fest: "Wenn politische Entscheidungsträger in Entwicklungsländern sich auf einen Aufstieg im DBR-Ranking konzentrieren, kann dies knappe Mittel binden, deren Einsatz in substantielleren Reformen helfen könnte, eine bessere Verwaltung und Durchsetzung von Wirtschaftsbestimmungen zu erreichen."

Gleichzeitig erfassen die DBRUntersuchungen wichtige Punkte nicht, die Marktversagen verursachen können. Die geographische Lage, die Verfügbarkeit und Kosten von Immobilien, Transportinfrastruktur, Facharbeitern und Kapital sind wichtige Faktoren eines funktionierenden Marktes, die die Indikatoren nicht berücksichtigen.

Eurodad geht davon aus, dass die Entwicklung des Privatsektors eine Rolle bei der Beendigung der Armut spielen sollte. Um ein Ergebnis zu erhalten, das ein hilfreiches Mittel zur Einschätzung und Unterstützung der Beiträge des Privatsektors zu diesem Ziel darstellt, sind wesentliche Änderungen in der Methodik des Berichtes nötig. Solange diese Veränderungen nicht abgeschlossen sind, sollte die Weltbank die Rankings aus ihren Berichten entfernen, da sie in vielen Ländern einen ungünstigen Einfluss auf die Ziele politischer Entscheidungsträger ausüben. Die Weltbank hat bereits einen Dialog mit wichtigen Beteiligten geführt, deren Vorschläge aber bisher nicht einbezogen. Insofern ist nicht damit zu rechnen, dass die Bank ihren DBR in Zukunft verbessern kann.


Der Autor ist Policy- und Networking-Analyst beim Europäischen Netzwerk Schulden und Entwicklung (Eurodad) in Brüssel.

Aus dem Englischen von Raphael Ferres.

Anmerkungen:

(1) http://www.doingbusiness.org/press.
(2) http://siteresources.worldbank.org/EXTDOIBUS/Resources/db_evaluation.pdf.
(3) http://pubs.aeaweb.org/doi/pdfplus/10.1257/jep.29.3.121.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2015, Seite 37-38
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
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Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Februar 2016

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