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INTERNATIONAL/320: Private Fluggesellschaft Vietjet Air macht staatlicher Vietnam Airline Konkurrenz (Gerhard Feldbauer)


Ein Produkt von Doi Moi

Private Fluggesellschaft Vietjet Air macht staatlicher Vietnam Airline Konkurrenz

von Gerhard Feldbauer, 9. Juni 2017


Im internationalen Rampenlicht stand die Fluggesellschaft VietJet Air im Mai vergangenen Jahres beim Besuch von US-Präsident Barack Obama in Hanoi. Der Präsident der Sozialistischen Republik Vietnam (SRV), *Tran Dai Quang, und Obama waren zugegen, als der Luftfahrt- und Rüstungskonzern Boeing und die VietJet Air einen Vertrag über den Kauf von 100 zivilen Boeing 737 für 11,3 Milliarden Dollar schlossen. Aus den Berichten ging kaum hervor, dass es sich bei der VietJet Airline um eines der größten Privat-Unternehmen handelt. Es ist ein Produkt des Doi Moi-Kurses der stärkeren Einbeziehung privatkapitalistischer Betriebe in die sozialistische Entwicklung. Er wurde nicht erst nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Staaten Osteuropas 1989/90 beschlossen, sondern vom VI. Parteitag der KPV bereits 1986. Er berücksichtigte, dass sich nach dem Sieg über die USA-Aggressoren im April 1975 ein Jahr später der sozialistische Norden mit dem kapitalistischen Süden zur SRV vereinigte. Doi Moi schloss die Dezentralisierung des Bankensystems, die Zulassung privater Geldhäuser, eine marktorientierte Finanzpolitik und den Beitritt zur WTO ein. Die unverändert "entscheidende Rolle" des Privatsektors auf dem sozialistischen Weg hat KPV-Generalsekretär Nguyên Phu Trong auf der Tagung des Zentralkomitees im Mai 2017 nachdrücklich unterstrichen.

Die rasante Entwicklung der VietJet Air, die 2017 zehn Jahre besteht, hat das Auslandsmagazin Le Courrier du Vietnam in seiner Mai-Ausgabe 19/2017 ausführlich gewürdigt. Mit ihrem Start 2007 ging das Monopol des Flugverkehrs der staatlichen Vietnam Airlines, deren Gründung 1956 begann, zu Ende. Noch 2011 aus drei geleasten Airbus A320-200 bestehend wuchs der Maschinenpark 2016 auf 40 Airbus A320 und A321 an. Vietjet Air startet heute auf ihrer Basis Tan Son Nhat bei Ho-chi-Minh-Stadt auf 50 Linien, davon 17 internationalen, täglich zu 300 Flügen, was einem Marktanteil von mehr als 30 Prozent entspricht. Das sei, so der Minister für Transport und Verkehr, Truong Quang Nghia, "eine gesunde Konkurrenz", die die Zahl der Fluggäste um neun Millionen auf 30 Millionen erhöhte.

Tan Son Nhat liegt heute mit rund 19 Millionen Passagieren im Jahr noch vor dem Hauptstadt-Airport Noi Bai (bei Hanoi), der 15 Millionen befördert. Im Bau ist bereits bei Long Thanh östlich von Ho-Chi-Minh-Stadt auf 50 km² der Long Thanh International Airport mit vier Startbahnen (4000 ž 60 Meter), der auch den Äirbus A380 abfertigen kann. Nach Fertigstellung 2020 wird er mit jährlich bis zu 100 Millionen Passagieren und einer Frachtkapazität von 5 Millionen Tonnen einer der bedeutendsten Flughäfen Südostasien.

Die Erfolge der VietJet Air gehen, wie Le Courrier schreibt, "vor allem auf das Konto" ihrer Gründerin und Generaldirektorin, Nguyên Thi Phuong Thao, die "die vietnamesische Luftfahrtindustrie revolutioniert" habe. Der US-amerikanische Forbes führt sie in seiner "Liste der stärksten Frauen der Welt". 1970 geboren begann sie 1987 noch in der UdSSR ein Studium in Wirtschaft und Finanzen. Ihren Geschäftssinn entfaltete die Studentin bereits mit einem florierenden Handel mit Elektronik- als auch Landwirtschaftsprodukten, die sie aus Japan, Hongkong und Südkorea bezog. Mit 21 Jahren sei sie bereits Dollar-Millionärin gewesen. Demnächst plane Nguyên Thi Phuong Thao, an die Börse zu gehen. Laut Bloomberg Billionaires Index werde das der Vietjet Air-Chefin, die 95 Prozent des Unternehmens besitze und noch Anteile an dem Immobilienprojekt Dragon City in Ho-Chi-Minh-Stadt halte, eine Milliarde Dollar einbringen.

Ob Vietjet Air, wie Insider meinen, Chancen hat, mit weiteren Marktanteilen "Nummer eins" zu werden, bleibt offen. Vietnam Airline ist führend auf dem internationalen Markt und Mitglied der Luftfahrtallianz Sky Team. Sie fliegt von Hanoi und Ho-chi-Minh-Stadt täglich Frankfurt am Main nonstop an, ist zu 70 Prozent an Jetstar Pacific beteiligt und gleichberechtigter Teilhaber an der staatlichen Cambodia Angkor. 2016 schloss sie mit der japanischen ANA Holding ein Kooperationsabkommen, das eine Beteiligung des Tokioter Unternehmens an Vietnam Airlines von 8,8 Prozent einschließt. Nicht ausgeschlossen wird, dass im Rahmen bereits bestehender Arbeitsteilung Vietjet Air vor allem der Inlandsmarkt überlassen werden könnte.

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Quelle:
© 2017 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juni 2017

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