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MELDUNG/366: Memorandum 2013 veröffentlicht (Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik)


Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik - 29. April 2013

Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik veröffentlicht ihr MEMORANDUM 2013

Umverteilen - Alternativen der Wirtschaftspolitik



Nichts Neues beim Euro? Doch, die Grundprobleme der Eurozone haben sich verschärft. Auf der politischen Ebene wird wieder dem Mythos der selbstheilenden Marktkräfte vertraut. Etliche Mitgliedsländer der Europäischen Union setzen auf Lohnsenkungen zur Erhöhung ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Zugleich werden den öffentlichen Haushalten mit dem europäischen Fiskalpakt und damit mit der Schuldenbremse enge Fesseln angelegt. Während die Regierungen so ihre eigenen Handlungsspielräume einengen, sind sie weit weniger bereit, den immer noch kriselnden Banken und den Finanzsektor mit ähnlich harten Restriktionen zu konfrontieren. So kann der Neoliberalismus kurz nach der Finanzkrise auch in Europa seine Wiederauferstehung feiern. Es zeigt sich, dass der neue Marktoptimismus kein nachhaltiges Wirtschaftswachstum in der EU schafft. Vielmehr kommt es zu Verdrängungsprozessen und somit zu weiteren Verteilungskonflikten. Gleichzeitig werden die Zentrifugalkräfte innerhalb der EU gestärkt

Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik betont seit Jahren, dass die deutsche Strategie, die auf eine Verstetigung der Umverteilung von unten nach oben setzt, kein nachhaltiges sozial-ökologisches Entwicklungsmodell ist. Wird diese Strategie jetzt als Politikmodell nach Europa exportiert, dann werden die Schwächen und Gefahren der neoliberalen Umverteilungspolitik noch deutlicher zutage treten.

Prof. Dr. Heinz-J. Bontrup betont: "Die Beschäftigten haben das exportgetriebene Wirtschaftswachstum in Deutschland über Jahre hinweg durch Lohnverlust alimentiert." Der Verteilungsspielraum konnte nicht ausgenutzt werden. Zeitgleich stieg die Produktivität deutlich.

Prof. Dr. Mechthild Schrooten führt aus: "Jahrelang wurde eine Umverteilung zugunsten der Vermögenden und Kapitaleigentümer durchgesetzt - und die zunehmende Ungleichverteilung von Vermögen und Einkommen ist eine Wachstumsbremse." Dieser Prozess spiegelt sich in der deutlich gesunkenen Lohnquote wider, die 2012 - also nach den Erholungsjahren 2010/2011 - mit 68,0 Prozent noch immer deutlich unter dem Vergleichswert des Jahres 2000 von 72,1 Prozent lag. Prof. Dr. Heinz-J. Bontrup: "Die so entstandenen Verteilungsverluste der Beschäftigten addierten sich im Zeitraum von 2001 bis 2012 auf 1.023 Milliarden Euro!"

Zum Vergleich: Diese kumulierte Summe entspricht mehr als der Hälfte des gesamten Volkseinkommens von 2012 (vgl. Abbildung*). In so einem Gefüge bedeutet mehr Beschäftigung nicht zwangsläufig weniger Armut!

Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik fordert ein sofortiges Ende der krisenverschärfenden Austeritätspolitik in Europa, die die Umverteilung von unten nach oben verstärkt. Sie plädiert für die Abschaffung der mechanistischen Schuldenbremsen und für eine Vermögensabgabe. Darüber hinaus müssen die Finanzmärkte endlich wirksam reguliert und die Banken auf ihre Kernfunktionen beschränkt werden. Prof. Dr. Mechthild Schrooten: "Das steuerpolitische Konzept der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik - also eine höhere Belastung der Vermögenden und Unternehmen - wird dazu beitragen, die Einkommensschwachen und damit auch die Binnennachfrage zu unterstützen sowie die öffentlichen Haushalte solide und nachhaltig zu finanzieren." Gleichzeitig muss die Arbeitszeit neu verteilt werden - die seit über 20 Jahren tabuisierte Arbeitszeitverkürzung für alle (bei vollem Personal- und Lohnausgleich) gehört wieder auf die politische Agenda.


Die Arbeitsgruppe legte erstmals im November 1975 (kurz nach Verabschiedung des 1. Haushaltsstrukturgesetzes, mit dem der Sozialabbau in der Bundesrepublik eingeleitet wurde) ein "Memorandum für eine wirksame und soziale Wirtschaftspolitik" vor. Seit 1977 wird in jedem Jahr in der Woche vor dem 1. Mai ein weiteres Memorandum für eine alternative Wirtschaftspolitik veröffentlicht. Zusätzlich sind zahlreiche Stellungnahmen zu aktuellen wirtschafts-, finanz- und sozialpolitischen Fragen erstellt worden. Mittlerweile gilt das Memorandum vielfach als "Gegengutachten" zum jährlichen Gutachten des "Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung" (der "fünf Weisen").


* Graphiken, die Kurzfassung des Memorandums und weitere Informationen sind abrufbar unter:
http://www.alternative-wirtschaftspolitik.de/veroeffentlichungen_der_arbeitsgruppe/memorandum_2013/index.html

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Quelle:
Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik
Postfach 33 04 47, 28334 Bremen
Wissenschaftlicher Mitarbeiter: Gunter Quaißer
Telefon: 069.26 02 49 50, Fax 069.43 05 17 64
E-Mail: memorandum@t-online.de
Internet: www.alternative-wirtschaftspolitik.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Mai 2013