Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → WIRTSCHAFT

REDE/422: Bundeswirtschaftsminister Brüderle zur Vorstellung der Außenwirtschaftsoffensive (BMWi)


Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie - Berlin, 23. März 2010

Pressekonferenz zur Vorstellung der BMWi-Außenwirtschaftsoffensive

Rede des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie, Rainer Brüderle, anlässlich der Pressekonferenz zur Vorstellung der BMWi-Außenwirtschaftsoffensive


Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Damen und Herren,

unser Wohlstand hängt an der Teilhabe am weltweiten Handel - als Importeur wie als Exporteur - und an grenzüberschreitenden Investitionen - eingehenden wie ausgehenden.

Diesen Wohlstand wollen wir weiter stärken. Dazu möchte ich Ihnen heute neue Überlegungen vorstellen.

Vorab aber einige Worte zu der aktuellen Diskussion um Deutschlands Exportstärke:

Unser Erfolg auf den Weltmärkten zeigt die Stärke unserer Wirtschaft.

Sie ist die Frucht harter Arbeit. Wir können stolz sein auf unsere Wettbewerbsfähigkeit.

Außerdem geht unsere Stärke im Export einher mit einer Stärke im Import.

Hiervon profitieren nicht nur wir, sondern auch andere.

Immerhin ist unser Land der zweitgrößte Importeur der Welt.

2009 haben wir Waren und Dienstleistungen im Wert von 854,4 Mrd. Euro importiert!

Ein großer Teil davon stammt von unseren europäischen Nachbarn.

Erfolge deutscher Unternehmen auf den Weltmärkten und eine stärkere heimische Nachfrage sind also keine Gegensätze.

Wir brauchen beides: Importe und eben auch weiterhin starke Exporte weltweit.

Deshalb ist aus meiner Sicht jetzt der richtige Zeitpunkt für eine Außenwirtschaftsinitiative.


I. Die Weltwirtschaft sortiert sich neu

Die unmittelbaren Folgen der Finanzmarktkrise sind überwunden.

Die Welt ist im Umbruch.

Viele Länder orientieren sich um oder stellen sich neu auf.

Verschiedene Trends kommen zusammen.

Der Handel mit klassischen Exportgütern wie Chemie, Kraftfahrzeugen und Investitionsgütern nimmt wieder zu. Er bildet auch weiterhin das Rückgrat der deutschen Exportwirtschaft.

Weltweit entsteht aber auch Nachfrage nach neuen Produkten - zum Beispiel in der Informations-, der Bio- oder auch der Umwelttechnologie.

Auch auf diesen Feldern hat die deutsche Wirtschaft viel zu bieten.

Parallel zu dieser Entwicklung entstehen auch geographisch neue Märkte. Handelsschwerpunkte verlagern sich.

Beispiele sind die Schwellenländer in Asien, Brasilien aber auch die Golfstaaten und wirtschaftlich erfolgreiche afrikanische Länder.

Die neue Außenwirtschaftsoffensive des Bundeswirtschaftsministeriums legt einen Schwerpunkt auf diese Märkte.

Dafür ist jetzt der richtige Zeitpunkt.

Die Weltwirtschaft zieht wieder an.

2009 ist der Welthandel noch um knapp 13 % eingebrochen. Nun erwarten IWF und OECD für dieses Jahr einen Anstieg um knapp 6 %, die OECD für 2011 sogar einen Anstieg von fast 8 %.

Da muss Deutschland dabei sein.


II. Wir sind schon sehr stark. Darauf wollen wir aufbauen.

2009 hat Deutschland Waren und Dienstleistungen im Wert von 964 Mrd. Euro ins Ausland exportiert (40 % des BIP).

Zwei von fünf Euro wurden im Ausland verdient.

Damit ist Deutschland Vize-Exportweltmeister nach China.

Jeder vierte Arbeitsplatz in Deutschland hängt am Export von Produkten und Dienstleistungen.

Zugleich spielen internationale Direktinvestitionen für Deutschland eine entscheidende Rolle: 9 % der weltweiten Auslandsinvestitionen haben ihren Ursprung hier bei uns.

Sie sehen: Deutschland ist ein sehr erfolgreicher Akteur auf der weltwirtschaftlichen Bühne.

Aber wir dürfen uns auf diesen Lorbeeren nicht ausruhen. Deutschland muss noch besser werden.

Das ist in erster Linie Aufgabe der Firmen selbst. Sie sind es, die mit neuen Produkten und innovativen Technologien ihre Stellung auf den Märkten halten und ausbauen müssen.

Das war immer der Grundsatz deutscher Wirtschaftspolitik, und auch ich stehe für dieses Prinzip.

Doch der Staat hat in der Außenwirtschaftspolitik dennoch eine wichtige Rolle, wenn es um Unterstützung unternehmerischer Aktivitäten und faire internationale Handelsbedingungen geht.

Die heute vorgestellte Außenwirtschaftsoffensive schärft dieses staatliche Profil in drei zentralen Punkten:

Erstens: Wir werden die deutschen Firmen verstärkt auf Auslandsmärkten unterstützen. Im Fokus steht dabei für mich besonders der Mittelstand;

Zweitens: Ein besonderes Augenmerk verdienen innovative Exportprodukte und neue Märkte, vor allem in Schwellenländern mit überdurchschnittlichem Wachstumspotential.

Und drittens: Wir brauchen offene Märkte. Dafür müssen die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen auf nationaler und internationaler Ebene weiter verbessert werden.


III. Auf diese drei Punkte möchte ich im Folgenden näher eingehen.

Der erste Eckpunkt betrifft die aktive Unterstützung deutscher Unternehmen auf Auslandsmärkten.

Dazu werden die vorhandenen Unterstützungsinstrumente neu justiert:

Wir bilden gemischte Exportteams aus eigenen Mitarbeitern und externen Experten. Diese Teams werden auf Tournee durch Deutschland gehen und umfassend vor Ort über alle Angebote informieren. Auftaktveranstaltungen wird es in Potsdam und Bielefeld geben.

Wir richten ab dem 4. Mai für vier Wochen ein Exporttelefon ein. Es richtet sich insbesondere an kleine und mittlere Unternehmen. Ich selbst werde zum Auftakt am 4. Mai am Telefon sein und Beratungsgespräche mit Unternehmern rund um die Außenwirtschaftsoffensive führen.

Wir werden den Standort Deutschland noch besser international bewerben. Germany Trade and Invest (gtai) wird dazu Standortkampagnen im Ausland durchführen, für ausländische Fachjournalisten Informationsveranstaltungen organisieren und Fachsymposien für Einkäufer aus dem Ausland anbieten.

Wir werden das Netz der Auslandshandelskammern auf Märkte erweitern. Das Delegiertenbüro in Angola wird am 28. Juni eröffnet. Ghana, Kenia und Libyen sollen in der zweiten Jahreshälfte folgen. Die Gründung einer Auslandshandelskammer in Aserbaidschan ist in Vorbereitung.

Die Entscheidungsverfahren in den interministeriellen Ausschüssen Exportkredit- und Investitionsgarantien werde ich beschleunigen. Die Sitzungsfrequenz der Ausschüsse wird erhöht. Die Möglichkeit, eilbedürftige Anträge außerhalb der regulären Sitzungen zu entscheiden, wird erweitert.

Von der hier vorgestellten aktiveren Unterstützung werden alle deutschen Unternehmen profitieren.

Besondere Aufmerksamkeit verdienen aus meiner Sicht dabei kleine und mittlere Unternehmen. Sie will ich künftig in das Zentrum der politischen Flankierung stellen.

Das gilt zum Beispiel für große internationale Ausschreibungen, die von Mittelständlern oft nicht zu bewältigen sind. Hier werden wir verstärkt unsere Unterstützung anbieten.

Kleine und mittlere Unternehmen werden auch bei der Zusammenstellung von Wirtschaftsdelegationen auf meinen Auslandsreisen besonders berücksichtigt.

Um es klar zu sagen: Solche Wirtschaftsdelegationen gehören bei meinen Reisen selbstverständlich dazu. Denn nichts ersetzt Kontakte vor Ort.

Delegationsreisen werden weiterhin so zusammengesetzt, dass sie Deutschland nützen.

Ein zweiter wichtiger Eckpunkt der neuen Außenwirtschaftsoffensive sind verstärkte Anstrengungen um innovative Exportprodukte und neue Märkte.

Lassen Sie mich hier exemplarisch auf einige Märkte mit hohem Potential eingehen:

Bei der "Elektromobilität" ist die deutsche Autoindustrie gut aufgestellt. Die Nachfrage weltweit kann enorm steigen. Wir legen hier einen Schwerpunkt in unserer Wirtschafts- und Technologiepolitik. Anfang Mai gibt es dazu ein Treffen von Politik und Wirtschaft hier in Berlin. Dann geht es auch um unsere Exportchancen.

Gute Zukunftschancen sehe ich auch im Bereich der Gesundheitswirtschaft. Deutsche medizinische Produkte, Pharmazeutika, Medizintechnik und Krankenhausdienstleistungen sind weltweit ein Markenzeichen unserer Leistungsfähigkeit. Bis zum Sommer werde ich daher einen Rahmenplan für die Außenwirtschaftsförderung im Bereich der Gesundheitswirtschaft vorstellen.

Große Chancen für die deutsche Wirtschaft bieten sportliche Großveranstaltungen. Wir haben bei der WM 2006 hier viele Erfahrungen gesammelt. Es geht um Investitionen in Infrastruktur, Dienstleistungen und so weiter. Jetzt steht Brasilien im Fokus. Dort finden die Fußballweltmeisterschaft 2014 und die Olympische Spiele 2016 statt. Ich werde Ende April dorthin reisen und eine Wirtschaftsdelegation mit rund 50 Teilnehmern mitnehmen.

So tun sich bei solchen Sportveranstaltungen zum Beispiel im Bereich Sicherheitstechnologie neue Märkte auf. Um gleich mit einem Missverständnis aufzuräumen: Es geht hier nicht um Waffenexporte. Es geht um neue Märkte zum Beispiel bei Sicherheitsschleusen und den dazugehörigen Dienstleistungen, damit die Veranstaltung auch frei von Ängsten durchgeführt werden kann.

Auch in der Luftfahrtindustrie haben unsere Unternehmen Weltruf. Dieser Markt ist besonders politisch beeinflusst. Ein prominentes Beispiel hat erst kürzlich für transatlantische Schlagzeilen gesorgt. Wir wollen hier Türen öffnen und notwendige Kontakte anbahnen.

Ein wichtiger Zukunftsmarkt ist schließlich das Themenfeld Energie. Unsere Exportinitiative Erneuerbare Energien und Energieeffizienz hat schon viel bewirkt. Hier knüpfen wir an. Ich werde im April bei meinem Brasilienbesuch den Startschuss für die 16-monatige Road-show des "Casa Alemana" - dem Ausstellungspavillon deutscher Energieeffizienztechnologien und Erneuerbarer Energien für Lateinamerika - in Sao Paulo geben können. Die großen Infrastrukturvorhaben DESERTEC und das Nordseenetz SEATEC werden wir ebenfalls weiter begleiten. Am 8. März habe ich mich bereits in einem Gespräch mit Vertretern der DESERTEC Stiftung und der Industrieinitiative aus erster Hand über den Stand des Projektes zur Stromerzeugung aus Solarthermie in der Wüste Nordafrikas informiert. Jetzt müssen diese Pläne weiter konkretisiert werden und eine Umsetzungs-Strategie für die nächsten Jahre entwickelt werden.

Ich komme damit zum dritten Eckpfeiler der neuen Außenwirtschaftsoffensive: Besseren politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen.

Weniger Bürokratie bedeutet mehr Handel. Das Außenwirtschaftsrecht wird deshalb entschlackt und übersichtlicher ausgestaltet.

Einige Vorschriften benachteiligen deutsche Exporteure gegenüber ihren europäischen Konkurrenten.

Es geht mir aber nicht nur um ein besseres Außenwirtschaftsrecht, sondern um weit mehr. Deutschland steht in einem Konkurrenzkampf um die klügsten Köpfe. Auch da wollen wir mithalten.

Wir wollen deshalb eine offene und unbürokratische Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse. So gewinnen wir die besten Fachkräfte für Deutschland.

Denn diese Menschen bringen nicht nur neues Wissen mit. Sie können auch ein Türöffner zu ihren Heimatländern sein.

Das gilt übrigens auch in umgekehrter Richtung: Deutsche Abschlüsse müssen vermehrt international anerkannt werden.

Das hilft dann auch unserem Export. Bei vielen High-Tech-Güter aus Deutschland gibt es Beratungsbedarf. Wir liefern dann mit den Produkten auch die Experten.

Auf internationaler Bühne müssen wir weiter auf den freien Welthandel setzen.

Protektionismus gerade in schwierigen Zeiten ist die falsche Antwort. Wir müssen also das multilaterale Handelssystem verteidigen und stärken.

Ein Erfolg der Doha-Runde gerade jetzt wäre ein wichtiges Signal. Ein Durchbruch würde einen Wachstumsimpuls setzen. Ziel ist ein Abschluss noch in diesem Jahr.

Parallel dazu setzen wir weiter auf bilaterale Abkommen.

Wir wollen durch solche Verträge den Marktzugang zu den wichtigen Wachstumsregionen Asiens und Lateinamerikas gezielt verbessern.

Das Abkommen mit Korea ist parafiert.

Mit Kolumbien und Peru streben wir eine zügige Unterzeichnung und Ratifizierung an.

Eine Aufnahme von Freihandelsverhandlungen mit Singapur sehen wir als Einstieg in Verhandlungen mit weiteren ASEAN-Ländern.

Zugleich müssen wir auf zügige Fortschritte in den Verhandlungen mit Indien, Kanada und anderen Drittstaaten hinarbeiten.

In diesem Zusammenhang spielt auch die sichere Versorgung Deutschlands mit Rohstoffen eine wichtige Rolle.

Deutschland ist in diesem Bereich in hohem Grade abhängig von Importen. Beschränkungen in der Rohstoffversorgung haben somit direkte Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft.

Deshalb werden wir auch den rohstoffpolitischen Dialog mit der Industrie engagiert fortsetzen. Wir unterstützen die Wirtschaft bei der Rohstoffsicherung.

Die rohstoffverarbeitende Industrie muss sich selbst die Quelle sichern können - sei es durch eigene unternehmerische Beteiligungen oder durch langfristige Lieferverträge.

Mit Sorge beobachte ich die zunehmenden Handels- und Wettbewerbsverzerrungen auf den internationalen Rohstoffmärkten.

Wir müssen die Beschränkungen auf den Rohstoffmärkten abbauen. Hier spielt die Handelspolitik eine herausragende Rolle.

Sowohl im Rahmen der WTO als auch der bilateralen Verhandlungen zu Freihandelsabkommen muss es hier Fortschritte geben. Dies ist eine wichtige Aufgabe zur Sicherung der Konkurrenzfähigkeit unserer Unternehmen.


Weiterführende Informationen

Elemente der Außenwirtschaftsoffensive
http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Aussenwirtschaft/aussenwirtschaftsoffensive,did=335456.html

Bundeswirtschaftsminister Brüderle präsentiert Außenwirtschaftsoffensive
http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Presse/pressemitteilungen,did=335612.html

Zur Rubrik Visitenkarte Bundesminister Rainer Brüderle
http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Ministerium/Minister-und-Staatssekretaere/Visitenkarten/visitenkarte-bruederle.html


*


Quelle:
BMWi-Pressemitteilung vom 23. März 2010
Herausgeber: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
Pressestelle des BMWi
Telefon: 03018-615-6121 oder -6131
E-Mail: buero-L2@bmwi.bund.de
Internet: http://www.bmwi.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. März 2010