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REDE/441: Merkel - "20 Jahre Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion", 29.06.2010 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel auf der Veranstaltung "20 Jahre Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion" am 29. Juni 2010 in Berlin


Sehr geehrte Teilnehmer an der Podiumsdiskussion, mit der Sie uns eben erfreut haben,
liebe Kollegen aus dem Bundeskabinett,
verehrte Gäste, die Sie zum großen Teil auch Zeitzeugen sind,

ich freue mich, dass Sie heute zu unserer Veranstaltung gekommen sind, die an 20 Jahre Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion erinnert und damit so etwas wie der Auftakt zu verschiedenen Stationen ist, die die Gestaltung des Weges zur Deutschen Einheit bis hin zum 3. Oktober nachzeichnen, an dem wir in diesem Jahr 20 Jahre staatliche Einheit miteinander feiern können.

Es sind 20 Jahre bei etwas über 60 Jahren Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Es lohnt sich immer, sich vor Augen zu führen, dass wir ein Drittel der Zeit, in der es die Bundesrepublik Deutschland gibt, nun schon in Ost und West zusammenleben. Mittlerweile - deshalb freue ich mich, dass auch junge Menschen heute hier sind - ist eine Generation herangewachsen, die die DDR und die Mauer nur noch aus Erzählungen und Geschichtsbüchern kennt. Ich würde sagen: Gott sei Dank ist das so. Aber ich würde auch sagen: Gott sei Dank haben wir es nach vielen Jahren geschafft, ein Gedenkstättenkonzept zu schaffen, nach dem die Geschichte der ehemaligen DDR und die Diktatur der Arbeiterklasse wirklich so aufgearbeitet wird, dass sie auch für zukünftige Generationen nachempfindbar ist.

Es ist wichtig, sich das Geschehene immer wieder vor Augen zu führen, um auf der einen Seite zurückzublicken und nicht zu vergessen, wie die Strukturen waren - wir haben eben auch in der Diskussion gemerkt, dass es ganz vernünftig ist, sich noch einmal daran zu erinnern, wie es wirklich war -, und um auf der anderen Seite zu zeigen, was für eine Erfolgsgeschichte die Gestaltung der Deutschen Einheit gewesen ist. Viele, viele Menschen haben dazu beigetragen. Es waren viele aus der ehemaligen DDR, die von einem Tag auf den anderen dazu bereit waren, ihren Arbeitsplatz zu verlassen und einfach etwas völlig anderes zu tun. Sie haben sich als Unternehmer bewährt, sind in die Kommunal- oder Landespolitik oder auch in die Bundespolitik gegangen. Das waren Menschen, die früher einmal alles nur rezipiert, dann aber plötzlich gesagt haben: "Ich packe das an, ich traue mir das zu"; und das auch in einem Alter, in dem man heute im Allgemeinen durchaus sagt, dass man zu den älteren Arbeitnehmern gehört und kaum noch eine Chance auf Wiedereinstellung hat. Das ist auch ein Anachronismus unserer heutigen Zeit.

Aber das galt nicht nur für die Menschen in der DDR, sondern das galt natürlich auch für viele in der alten Bundesrepublik. Hier ist eben über die Treuhand gesprochen worden. Aber ich kann es auch über die, die in der Politik tätig waren, sagen. Viele Menschen haben damals die Bereitschaft gehabt, sich auf etwas völlig Neues einzustellen, in die neuen Bundesländer zu fahren, sich dort umzuschauen, sich auf Diskussionen einzustellen und in kürzester Frist umfassendste Dokumente auszuarbeiten, die das, was dann die Deutsche Einheit geworden ist, überhaupt erst ermöglicht haben. Wenn es eines Beweises bedürfte und wir manchmal vielleicht fragen: "Sind wir noch mobil genug, können wir uns auf Neues einstellen?", dann glaube ich, dass wir es können, weil wir diese Erfahrung der deutschen Wiedervereinigung gemacht haben und sie auch noch nicht vergessen haben.

Es gab für nichts, was zu tun war, eine Blaupause. Es gab sicherlich viele kluge Ratschläge. Aber letztendlich musste selbst entschieden werden. Es war eben so, dass die Situation des real existierenden Sozialismus auf der DDR-Seite eine war, die durch ein Höchstmaß an Ineffizienz gekennzeichnet war. Heute muss immer wieder in Erinnerung gerufen werden, dass man nicht in der Lage ist, aus einer subjektiven Anstrengung, die jemand unternimmt, etwas gesamtgesellschaftlich Vernünftiges zu machen, wenn sie in ein maximal ineffizientes System gestellt wird. Deshalb war es genau so: Die Ausbildung war nicht immer schlecht, aber wenn man nicht an die neuesten Maschinen, an die neuesten Computer herankam, hatte der gesunde Menschenverstand letztlich keine Chance, weil das oberste Primat die Diktatur der Arbeiterklasse war. Alles, was dem im Wege stand, musste verhindert werden. Das Ganze hat dann zu einem immensen Maß an Ineffizienz geführt.

Ich werde etwas nie vergessen: Als ich als junge Wissenschaftlerin mehrere Monate in Prag in der Tschechoslowakei gearbeitet habe und mit dem Vindobona wieder einmal mit fünfstündiger Verspätung dort ankam und mich bei meinem tschechischen Professor darüber beschwerte, sagte er: "Liebe Angela Merkel, wir beide haben schon erkannt, dass wir an einem großen Experiment teilnehmen, das niemals erfolgreich sein kann. Aber es dauert noch eine Weile, bis das alle mitbekommen werden." So war es. Es ist dann auch eines Tages so gekommen, wie es kommen musste.

Natürlich gab es in der Phase des Übergangs - in der friedlichen Revolution, wie man ja sagen muss, weil hier wirklich qualitativ ein völlig anderes System in ganz Deutschland eingeführt wurde, nämlich das der alten Bundesrepublik Deutschland - ein unglaubliches Maß an Diskussionen und an Ungleichzeitigkeit. Auf der einen Seite wurde gerufen: "Kommt die D-Mark, bleiben wir. Kommt sie nicht, gehen wir zu ihr." Man wollte am liebsten schon am 17. Juni des Jahres 1990 den unmittelbaren Beitritt herbeiführen. Nur vernünftige Kräfte, wie zum Beispiel Lothar de Maizière und andere, aber auch Menschen auf der Seite der alten Bundesrepublik haben gesagt: "Passt auf, ihr könnt doch nicht innerhalb eines Tages oder weniger Tage zwei völlig nicht zueinander passende Rechtssysteme aufeinander loslassen, sondern das muss überlegt und wenigstens einigermaßen verbunden werden." Das ist ja dann auch mit dem Einigungsvertrag passiert. Ich könnte hierbei Rudolf Seiters oder Fritz Bohl nennen.

Die vielen Stunden, die wir dann später noch mit Dingen wie dem Unrechtsbereinigungsgesetz und all den Fragen der Zuordnung von Eigentum verbracht haben, waren natürlich notwendig, um die Dinge ineinander überzuführen. Denn wenn man aus einem Land kommt, in dem es ein Privateigentum an Grund und Boden per se nicht gibt, in dem es zwar noch ein Privateigentum an Häusern gab, aber der Grund darunter nicht privat war, müssen Sie natürlich viele Handstände machen, um das alles richtig zu schaffen. Wir haben das geschafft, aber natürlich zum Teil mit Schmerzen. Ich habe in meiner Bürgersprechstunde in Stralsund noch jahrelang mit Menschen gesprochen, die mir gesagt haben: "Nun ist unsere LPG-Fläche von früher einmal ins Grundbuch eingetragen worden und jetzt wird uns das wieder herausgestrichen, weil sich herausgestellt hat, dass es doch kein Privateigentum ist." Die Leute waren unglücklich. Dann habe ich gesagt: "Haben Sie eigentlich jemals in Ihrem Leben gedacht, dass Sie irgendetwas an Boden als Eigentum bekommen würden? Seien Sie doch froh, dass Sie in den Westen reisen können, dass Sie Arbeit haben und dass so alles viel besser geworden ist." Dann haben sie mich angelächelt und haben gesagt: "Eigentlich haben Sie auch wieder Recht. Die Vorfreude war ein bisschen verfehlt."

Es ist auch manches schief gelaufen. Das will ich gar nicht in Abrede stellen. Es gab wie bei jeder Veränderung auch Menschen, die nicht redlich zueinander waren. Es gab auch welche, die das schnelle Geld machen wollten. Das braucht man heute nicht in Abrede zu stellen. Aber es gab eben auch die vielen aus der alten Bundesrepublik Deutschland, die sich mit unendlicher Leidenschaft der Dinge angenommen haben, die weiterentwickelt werden mussten. Dafür sind wir von Herzen dankbar, wenn ich das als ehemalige Ostdeutsche einmal sagen darf.

Natürlich war auch die Diskussion zu führen, ob wir eine solche Situation dazu nutzen, einen Sozialismus anderer Art zu schaffen. Das gab es. Das war der so genannte dritte Weg. Ich war von diesem Weg nicht überzeugt. Aber diese Diskussion ist geführt worden. Aber ich würde auch im Rückblick sagen: Eine solche Alternative stellte sich nicht. Es gibt die Grundprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft, die auf festen Werten beruhen, die im Übrigen im Staatsvertrag zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zum ersten Mal für ganz Deutschland festgeschrieben worden sind. Das Grundgesetz des Jahres 1949 ließ die Frage der Wirtschaftsordnung weitestgehend offen. Sie ist durch Ludwig Erhard, durch Konrad Adenauer als Soziale Marktwirtschaft gestaltet worden. Aber die Begrifflichkeiten, die damit unverrückbar verbunden sind, sind im Staatsvertrag festgelegt worden - unter anderem Privateigentum, Leistungswettbewerb, freie Preisbildung, volle Freizügigkeit von Arbeit, Kapital, Gütern und Dienstleistungen, eine Arbeitsrechtsordnung, die der Sozialen Marktwirtschaft entspricht, und ein umfassendes System der sozialen Sicherung. Das heißt, man hatte zum ersten Mal ein Bild von den konstitutiven Elementen der Sozialen Marktwirtschaft so fixiert, als die sie in der Bundesrepublik verstanden wurden.

Es gab natürlich auch die Versuche aus der alten Bundesrepublik heraus, die Deutsche Einheit dann gleich einmal zu nutzen, um eine Generalrevision des Grundgesetzes vorzunehmen. Ich persönlich habe mich über diese Frage immer sehr aufgeregt und habe gesagt: "Denkt doch nicht, dass wir Ostdeutschen euch dabei helfen werden, bestimmte Dinge ins Grundgesetz zu schreiben, für die es in der alten Bundesrepublik nie eine Mehrheit gab und die ihr in so vielen Jahren in der alten Bundesrepublik nicht geschafft habt."

So ist das natürlich ein Weg gewesen, der zum Teil bitter war. Ja, er war bitter, weil die einzelnen Menschen gar nichts dafür konnten, dass das System auf eine effiziente Basis gestellt werden musste. Natürlich erleben wir auch heute noch die Auswirkungen davon. Wenn ich meinen Wahlkreis betrachte, der ländlich geprägt ist, ist es völlig klar, dass ein großer Teil der Arbeitslosigkeit schon allein auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass dort in der ehemaligen DDR etwa zwölf bis 13 Prozent der Menschen in der Landwirtschaft gearbeitet haben und mit dem Tag der Währungsunion, mit dem Tag der marktwirtschaftlichen Bedingungen à la Europäische Union, in der Landwirtschaft die Beschäftigungsquote auf etwa zwei Prozent fiel. Da überproportional viele Menschen in der Landwirtschaft gearbeitet haben, stieg die Arbeitslosenquote sofort auf 20 bis 25 Prozent. Das können Sie durch noch so viele arbeitsmarktpolitische Maßnahmen für die über 45- oder 50-Jährigen nicht dadurch ausgleichen, dass Sie sagen: "Schaut einmal, Siemens sucht in München noch Arbeitnehmer. Wollt ihr nicht dorthin gehen?" Das war nicht möglich. Das hat natürlich dazu geführt, dass viele subjektiv das Gefühl hatten, sie können an der Deutschen Einheit nicht so mitwirken, wie sie es gerne getan hätten. Deshalb muss man ungleiche Situationen, auch wenn es zum Beispiel die Arbeitsmarktpolitik betrifft, ungleich behandeln, weil man sie gar nicht miteinander vergleichen kann und nur historisch zu erklären sind.

Umso wichtiger ist es aber, dass man die jungen Menschen, die heute aufwachsen oder schon vor zehn Jahren aus der Schule gekommen sind, vernünftig in die neue Arbeitswelt hineinführt und nicht mit den gleichen Instrumenten aus dem Arbeitsmarkt heraushält oder sie sozusagen mit Transferleistungen ruhig stellt, sondern versucht, dort Arbeitschancen zu eröffnen, wo das auch möglich ist.

Nun haben wir eigentlich aus all dem in gesamtdeutscher Hinsicht vieles gelernt. 20 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung ist für uns alle sichtbar, wie dramatisch sich nicht nur Deutschland verändert hat, wie dramatisch sich nicht nur Europa verändert hat, sondern dass sich mit dem Wegfall des Eisernen Vorhangs und dem Ende des Kalten Krieges die gesamte Weltordnung verändert hat. Der Siegeszug der Freiheit hat letztlich auch dazu geführt, dass wir heute weltweit unter sehr viel schärferen Wettbewerbsbedingungen - ob mit Blick auf unsere osteuropäischen Nachbarn, auf China, Russland oder ganz Asien - und unter ganz neuen ökonomischen Voraussetzungen arbeiten müssen.

Mit der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise haben wir auch erlebt, dass das Gegenteil von dem, was wir in der DDR hatten - zu viele Regeln, keinen gesunden Menschenverstand und keine freiheitliche Betätigungsform -, in eine ausgesprochen schwierige und desaströse Situation führen kann, wenn man also überhaupt keine Regeln beziehungsweise die Erteilung der Erlaubnis zum freien Spiel der Märkte ohne jede Begrenzung hat.

Ich glaube, wir haben jetzt mit dem Umgang mit der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise eine gesamtdeutsche Aufgabe vor uns. Vielleicht ist es die erste große gesamtdeutsche Aufgabe, bei der wir das ganze Erfahrungspotenzial, das wir aus dem Prozess der Deutschen Einheit gewonnen haben, einbringen können, um Grundzüge der Sozialen Marktwirtschaft weltweit festzuschreiben. Das hört sich etwas ambitioniert an. Ich bin aber zutiefst davon überzeugt, dass wir unsere Art zu wirtschaften, die extrem erfolgreich war und ist, nur erhalten können, wenn es uns gelingt, sie im europäischen Rahmen und dann gemeinsam als Europa in Grundzügen weltweit zu verankern. Deshalb sprechen wir über die Regulierung von Finanzmärkten. Deshalb brauchen wir zum Beispiel die G 20, um gemeinsame Absprachen zu treffen. Ich glaube, dass sich unsere Soziale Marktwirtschaft auch im Sinne der Mitbestimmung und des Miteinanders von Arbeitnehmern und Arbeitgebern wunderbar bewährt hat. Wir werden heute in vielen Teilen der Welt beneidet, wenn es darum geht, gemeinsame Lösungen zu finden.

Wir stehen vor der Aufgabe: Wie schaffen wir es, weltweit nachhaltig und balanciert, aber vor allen Dingen nachhaltig Wachstum zu schaffen? Diese Aufgabe ist noch etwas schwieriger, als es darum ging, eine gesamtdeutsche Soziale Marktwirtschaft zu schaffen. Wir müssen lernen, mit begrenzten Ressourcen umzugehen. Sicherlich kann nicht allein die Größe des Bruttoinlandsprodukts für entwickelte Industrienationen auf Dauer der einzige Wachstumsindikator sein. Es geht um Lebensqualität. Es geht um Bildung. Es geht um sozialen Frieden, um innere und äußere Sicherheit. Diese Verfolgung einer in den Zielsetzungen weiterentwickelten Sozialen Marktwirtschaft wird für uns die große Aufgabe in der Zukunft sein. Ich glaube, Deutschland hat hier viele, viele Beiträge auch zur internationalen Diskussion zu leisten, um auf diesem Weg weiterzukommen.

Dabei ist es für mich so - das will ich ganz ehrlich sagen -, dass wir gelernt haben, dass man auf Dauer nicht über die eigenen Verhältnisse leben kann. Damit sage ich nicht, dass irgendein Individuum in irgendeiner Weise im Augenblick über seine Verhältnisse lebt, aber gesamtgesellschaftlich ist es so. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Frage: Wenn wir unseren Wohlstand erhalten wollen, müssen wir an vielen Stellen in unserer Effizienz oder in unserer Zukunftsgestaltung besser werden. Deshalb haben wir uns ganz bewusst dafür entschieden, trotz aller Notwendigkeit zur Haushaltskonsolidierung mehr in Bildung und Forschung zu investieren und bei Investitionen so gut wie nichts zu kürzen. Wir glauben, dass das die Säulen sind, auf denen unsere Zukunft ruht - insbesondere in einem Land, das einem hohen demografischen Wandel entgegensieht. Genau deshalb müssen wir uns mehr denn je fragen: Wie können wir es schaffen, dass mehr Menschen am Arbeitsleben teilhaben und Langzeitarbeitslosigkeit nicht sozusagen wie in Stein gemeißelt besteht?

Wir haben im Bereich des Euro und der Europäischen Union gesehen, wohin es führt, wenn Strukturschwächen auftreten. Deshalb glaube ich, dass es richtig ist, zu sagen, dass wir eine Haushaltskonsolidierung in den Industrieländern brauchen und dass wir im Rahmen der Europäischen Union ganz klare Strukturverbesserungen brauchen, um im globalen Wettbewerb besser dazustehen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir das schaffen können, wenn wir uns auf die Stärken besinnen, die wir in der Situation der Gestaltung der Deutschen Einheit gezeigt haben. Das bedeutet aber, dass weiterhin Kreativität, Mobilität und gute Ideen eine Chance haben müssen. Wir haben es oft im Prozess der Deutschen Einheit erlebt: Im Osten haben wir gelernt, zu improvisieren. Das aber wird durch zu viel Regelwerk einer hoch entwickelten Industriegesellschaft immer wieder eingedämmt. Deshalb stellt sich nicht nur die Frage, wie viel Sicherheit ich brauche, sondern auch die Frage: Wie viele Freiräume bekomme ich, um auf Neues anders reagieren zu können?

Sicherlich ist diese Frage genauso aktuell, wie es sie während der Gestaltung der Deutschen Einheit war. Deshalb würde ich sagen: So gut, wie wir das vor 20 Jahren geschafft haben, so müssen wir jetzt unsere Zukunft in einer Welt des härteren Wettbewerbs genauso gemeinsam und leidenschaftlich gestalten. Ich glaube, Deutschland hat alle Instrumente dafür. Die Soziale Marktwirtschaft ist eine herausragende Grundlage. Wenn wir das Ganze mit Leidenschaft angehen, können wir auch in 40 Jahren nach der deutschen Wiedervereinigung sagen: Weil wir die Deutsche Einheit haben, sind wir auch mit der Neuordnung der globalen Märkte gut zurande gekommen; weil wir die Soziale Marktwirtschaft haben, haben wir einen richtigen Leitkompass.

In diesem Sinne: Danke dafür, dass Sie heute hierhergekommen sind.


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Quelle:
Bulletin Nr. 72-1 vom 29.06.2010
Rede von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel auf der Veranstaltung
"20 Jahre Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion" am 29. Juni 2010 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juli 2010