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REDE/483: Rösler zum Atomausstieg und zur Energiewende vor dem Deutschen Bundestag, 9.6.11 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie, Dr. Philipp Rösler, zum Atomausstieg und zur Energiewende vor dem Deutschen Bundestag am 9. Juni 2011 in Berlin:


Sehr geehrter Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete!

Zu einer guten Energiepolitik gehören immer drei Dinge: Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit der Energie. Insofern stelle ich hier fest: Das vorliegende Energiekonzept findet hinsichtlich dieser drei wesentlichen Säulen genau die richtige Balance; es ist ein gutes, vernünftiges Energiekonzept für Deutschland.

Die Frage der Umweltverträglichkeit war in der Tat die Begründung für die nun anstehenden wesentlichen Entscheidungen. Denn anders als die bisherigen Katastrophen - Sie haben Tschernobyl angesprochen - war die Katastrophe von Fukushima die erste, die nicht auf menschliches Versagen, sondern auf technisches Versagen zurückzuführen ist. Es wäre verantwortungslos gewesen, wenn eine Regierung darauf nicht reagiert hätte. Insofern ist es richtig, gemeinsam in einem gesellschaftlichen Konsens, mit der Ethik-Kommission und allen beteiligten gesellschaftlichen Gruppen, den Beschluss zu fassen, nach 2022 auf die Kernenergie zu verzichten.

Wenn aber hier im Hause jemand unaufrichtig ist, dann sind es doch die Kollegen von Rot und Grün. Denn Sie haben bei Ihrem Ausstiegsbeschluss einfach nur Ihre Ideologie befriedigt. Sie sind den Menschen die Antwort auf die Frage schuldig geblieben, wie die Energieversorgung in Deutschland nach dem beschlossenen Ausstieg tatsächlich gesichert werden soll.

Deswegen ist es richtig, dass diese Regierungskoalition auf das wichtige Thema Versorgungssicherheit setzt. In der Tat: Wir steigen deutlich schneller aus, als Sie es jemals geplant haben. Sieben Kraftwerke sind vom Netz gegangen. Aber man darf die Versorgungssicherheit im Sinne von Netzstabilität niemals außer Acht lassen. Deswegen ist es natürlich klug, insbesondere bei Berücksichtigung schwieriger Witterungsbedingungen, ein Reservekraftwerk vorzuhalten. Denn eines können wir uns in Deutschland nicht leisten: einen Blackout. Das wäre volkswirtschaftlich aus unserer Sicht nicht zu verantworten. Sie wären leichtfertig bereit, dieses Risiko einzugehen. Mit uns ist so etwas nicht zu machen.

Zum Thema Versorgungssicherheit gehört auch die Beantwortung der Frage, wie wir möglichst schnell zu neuen Kraftwerken kommen. Deswegen brauchen wir andere Gesetze, um die Planung und den Bau von Kraftwerken und Netzen insgesamt zu beschleunigen; denn das einzig Limitierende beim Ausbau des Bereichs der erneuerbaren Energien ist der Ausbau unserer Netze. Deswegen ist es klug, ein Gesetz auf den Weg zu bringen, mit dem erstmals die Planung von den Ländern auf den Bund übertragen wird. So machen wir Schluss mit dem Flickenteppich und kommen dazu, unsere Netze bundeseinheitlich neu zu planen, ähnlich wie das beim Bundesverkehrswegeplan der Fall ist.

Wir haben das ehrgeizige Ziel, die Planung und den Bau von Netzen deutlich zu beschleunigen. Bisher haben wir dafür teilweise über zehn Jahre gebraucht; das wollen wir auf vier Jahre reduzieren. Das ist ein ehrgeiziges, aber richtiges Ziel, wenn es darum geht, die erneuerbaren Energien besser nutzen zu können.

Es geht auch um den Neubau von Kraftwerken. Ich sage das ganz bewusst: Es geht auch um den Neubau von konventionellen Kraftwerken. Auch hier müssen wir schneller werden. Ich finde es geradezu absurd, dass es beispielsweise nicht möglich ist, an derselben Stelle, an der in Stade ein Kernkraftwerk vorhanden war, das nun zurückgebaut wurde, ein konventionelles Kraftwerk zu bauen. Wir müssen gerade solche Standorte nutzen, weil dort die Infrastruktur vorhanden ist. Deswegen brauchen wir zusätzlich zum Netzausbau auch ein Planungsbeschleunigungsgesetz in Deutschland.

Wir gehen fest davon aus, dass die Grünen künftig bei jeder Demonstration an unserer Seite stehen werden und jedem Gegner von neuen Kraftwerken und neuen Trassen zurufen werden: Wer Nein sagt zur Kernenergie, muss Ja sagen zum Netzausbau und zum Kraftwerksneubau. Ich bin sehr gespannt, ob Sie am Ende den Mut dazu aufbringen werden.

Auch die Frage der Bezahlbarkeit ist wichtig. Es ist richtig, dass wir in das Erneuerbare-Energien-Gesetz erstmalig Marktmechanismen einbringen; denn wir wollen, dass die bisherige EEG-Umlage bei 3,5 Cent pro Kilowattstunde stabil bleibt und durch die Marktprämie vielleicht erstmalig die Chance gegeben wird, Spielräume für Senkungen zu schaffen.

Herr Kelber, es kann nicht sein, dass wir eine Energiewende haben, aber Sie sich nicht trauen, den Menschen zu sagen: Jawohl, wer eine solche Energiewende will, der muss auch bereit sein, mit moderaten Kostensteigerungen umzugehen. Diese Ehrlichkeit haben wir. Sie scheinen sie nicht zu haben.

Es ist richtig, dass wir alles versuchen, um die Belastungen für die Menschen und gleichzeitig für die Wirtschaft und gerade die kleinen und mittelständischen Unternehmen in unserem Land moderat zu halten. Deswegen ist es gut, dass wir erstmalig die Fördermöglichkeiten beziehungsweise die Entlastungen umstellen. Künftig können auch kleinere Unternehmen von der EEG-Umlagebefreiung profitieren und nicht mehr nur die großen. Das fördert Handwerk, Mittelstand und Gewerbe. Es ist klug, dabei auf bürokratische Verfahren wie verpflichtend vorgeschriebene Energiemanagementsysteme, zu verzichten. Wir wollen einen automatischen Ausgleich zur Stärkung der mittelständischen Wirtschaft in Deutschland.

Deswegen ist es richtig, energieintensive Unternehmen durch Strompreissenkungen zu entlasten, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit sicherstellen zu können. Darum setzen wir uns gemeinsam auf europäischer Ebene für diese Unternehmen ein.

Wir dürfen - das ist entscheidend - nicht glauben, dass sich aus der Umstellung der Energiepolitik allein durch Strompreissenkungen neue Chancen ergeben. Es eröffnen sich vielmehr auch völlig neue Chancen bei dem wichtigen Thema Effizienz und bei der Herstellung neuer Produkte. Deutschland wird künftig federführend sein und voranschreiten, wenn es darum geht, energieeffiziente Produkte auf den Markt zu bringen.

Ich sage Ihnen voraus: Eines Tages werden auch andere Staaten - in Europa und weltweit - auf die Idee kommen, aus der Nutzung fossiler Brennstoffe und der Kernenergie auszusteigen. Diese Staaten werden nach wie vor Produkte, Instrumente und Ideen für die Nutzung erneuerbarer Energien benötigen. Genau an dieser Stelle wird Deutschland dann federführend sein. Das bedeutet für unsere deutsche Wirtschaft kein Risiko, sondern eine Chance.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, Sie haben damit die Chance, den Fehler, den Sie Anfang 2000 gemacht haben, endlich zu korrigieren. Sie können endlich dafür sorgen, zu zeigen, dass Sie nicht nur aussteigen wollen, sondern auch die Frage beantworten können, wie Sie in die erneuerbaren Energien einsteigen wollen.

Das gilt insbesondere für die Grünen. Ich habe mich gewundert, Herr Steinmeier, dass Sie so betont haben, Sie hätten eine Antwort auf die Frage der Endlagerung gefunden. Da bin ich jetzt wirklich überrascht. Das einzige, was Sie in Ihrer Zeit gemacht haben, war doch, ein Moratorium festzulegen. Sie haben sich gerade nicht um die Endlagerung gekümmert. Das war zum Schaden der nachfolgenden Generationen.

Die vorliegenden Gesetze bieten auch Ihnen eine Chance, Ihre Fehler zu korrigieren. Sie können gerne dabei mitmachen. Oder haben Sie etwa Angst, weil vielleicht wieder ein bisschen die kleine, traurige Dagegen-Partei durchschimmert? Wir jedenfalls reichen Ihnen auch zu dieser Energiepolitik die Hand.


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Quelle:
Bulletin Nr. 59-2 vom 09.06.2011
Rede des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie,
Dr. Philipp Rösler, zum Atomausstieg und zur Energiewende
vor dem Deutschen Bundestag am 9. Juni 2011 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juni 2011