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ROHSTOFFE/116: Gläserner Bergbau? (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2015

Gute Stadt - Böse Stadt
Landromantik vs. Stadt für alle

Gläserner Bergbau?
Eine Zwischenbilanz der Extractive Industries Transparency Initiative

von Karin Küblböck und Silke Pinter


Abbau und Export von Rohstoffen spielen in vielen Ländern eine wichtige Rolle. 94 Entwicklungsländer werden von der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) als ressourcenabhängige Länder(1) eingestuft, 45 von 54 afrikanischen Ländern fallen in diese Kategorie. Der Umsatz des extraktiven Sektors macht etwa 5 % des weltweiten Bruttoinlandsproduktes aus. Die potenziellen Einnahmen für Entwicklungsländer werden auf etwa ein Drittel der Summe geschätzt. Ein beträchtlicher Teil dieser Einnahmen geht allerdings durch illegale oder illegitime Kapitalflüsse verloren.(2) Undurchsichtige Zahlungsflüsse sowie die ungleiche Verteilung der Einnahmen sind zentrale Ursachen, warum der Abbau von Rohstoffen oft nur wenig zu Armutsminderung und wirtschaftlicher Entwicklung beiträgt. Um die Transparenz und Rechenschaftspflicht in diesem Sektor zu erhöhen, sind in den letzten Jahren eine Reihe von Initiativen ins Leben gerufen worden. Die aktuell wichtigste internationale Transparenzinitiative im Rohstoffbereich ist die Extractive Industry Transparency Initiative (EITI). Wie ist das Potential dieser Initiative nach mehr als 10 Jahren einzuschätzen?

Internationale Entwicklungsbanken spielten in den letzten Jahrzehnten eine wichtige Rolle bei der Förderung von Projekten und Reformen im extraktiven Sektor im globalen Süden. Ende der 1990er Jahre geriet ihr Engagement in diesem Sektor aufgrund negativer sozialer und ökologischer Auswirkungen allerdings zunehmend unter Druck. Im Jahr 2000 forderte eine breite NGO-Koalition die Weltbank auf, die Förderung von Projekten im extraktiven Sektor zu beenden. In der Folge gab der damalige Weltbank-Präsident James Wolfensohn eine unabhängige Prüfung der Rohstoff-Förderprojekte in Auftrag. Der Endbericht stellte wesentliche Mängel - insbesondere im Bereich Governance - fest und forderte die Weltbank auf, die Förderung von Erdöl- und Kohleprojekten einzustellen. Außerdem empfahl er, dass vor der Förderung von Projekten in anderen Bergbausektoren Institutionen reformiert und Good Governance-Kriterien erfüllt sein sollten.(3) Das Weltbankdirektorium lehnte die Einstellung von Erdöl- und Kohleprojekten zwar ab, beschloss als Zugeständnis aber die Einführung von erhöhten Transparenzbestimmungen.(4)

2002 wurde die internationale Kampagne "Publish What You Pay" (PWYP) gegründet, mit dem Ziel, öffentliche Einnahmen aus dem extraktiven Sektor offenzulegen. Im gleichen Jahr lancierte der britische Regierungschef Toni Blair die Idee einer freiwilligen globalen Transparenz-Initiative im Rohstoffbereich. 2003 wurde schließlich bei einer von Großbritannien organisierten Konferenz in London die "Extractive Industry Transparency Initiative" (EITI) ins Leben gerufen. Sie erhielt umgehend weitreichende politische Rückendeckung, u. a. der UN-Generalversammlung und der G8. Binnen kurzer Zeit wurde die EITI zum wichtigsten internationalen Governance-Standard im Rohstoffsektor.


Nicht verpflichtende Transparenz

Regierungen, die den EITI-Standard umsetzen, legen Informationen über Einnahmen aus dem extraktiven Sektor in einem jährlichen Bericht offen. Jedes Mitgliedsland wird alle drei Jahre überprüft, wobei die Mitgliedschaft jederzeit suspendiert werden kann, wie dies aktuell bei Indonesien, Jemen, Tanzania und der zentralafrikanischen Republik der Fall ist. Unternehmen, die EITI-Mitglied sind, veröffentlichen ihre Zahlungen an die jeweiligen Regierungen und leisten einen jährlichen finanziellen Beitrag zwischen 20.000 und 60.000 USD, abhängig von der Unternehmensgröße, an das EITI-Sekretariat. 2013 wurde ein überarbeiteter Standard vorgelegt, auch als Antwort auf Kritik von zivilgesellschaftlichen Organisationen, z. B. in Bezug auf die Unvollständigkeit und mangelnde Aussagekraft der EITI-Daten. Bei der Revision wurden detailliertere Berichtspflichten festgelegt: Regierungen müssen nun Informationen über nationale Fördermengen sowie über die Inhaber von Lizenzen offenlegen. Die Daten müssen in disaggregierter Form veröffentlicht werden, nach Unternehmen, Regierungseinheit und - "wo angemessen" - auf Projektebene. Allerdings müssen Länder, die aufgrund gesetzlicher Vorgaben ohnehin projektbezogene Daten veröffentlichen müssen, dies auch im Rahmen der EITI tun. Das trifft auf die USA und die EU zu. Die Offenlegung der wirtschaftlichen Eigentümer ("Beneficial Ownership") der Unternehmen sowie die Veröffentlichung der Produktionsverträge zwischen den Staaten und den Unternehmen ist auch nach der Revision nicht verpflichtend vorgesehen, es wird lediglich dazu "ermutigt".(5)


EITI bekommt weltweit Aufmerksamkeit

In den letzten Jahren ist die Anzahl der Länder, die den EITI-Standard erfüllen, stark gestiegen - von zwei Ländern im Jahr 2009 auf 31 im Jahr 2015, davon die Mehrzahl in Afrika. Weitere 18 Länder haben Kandidatenstatus. Norwegen ist bisher das einzige OECD-Mitgliedsland, das EITI-Mitglied ist. Grossbritannien sowie die USA haben seit 2014 Kandidatenstatus. Deutschland will noch bis Ende 2015 die Kandidatur einreichen.


Wie ist die EITI zu bewerten?

Multistakeholder-Initiativen wie die EITI haben das Potenzial, zu einer verbesserten Governance im Rohstoffbereich beizutragen. Voraussetzung dafür sind transparente und faire Entscheidungsprozesse sowie ausreichende Kompetenzen der unterschiedlichen Stakeholder. Die interne Governance vieler Multistakeholder-Gruppen (MSG) weist allerdings wesentliche Defizite auf.(6) Die Kriterien für die Auswahl der VertreterInnen sind oft nicht nachvollziehbar, wichtige Stakeholder wie etwa VertreterInnen von betroffenen Communities fehlen, Informationen werden oft zu spät zur Verfügung gestellt. KritikerInnen weisen zudem auf die Gefahr einer Kooptierung von VertreterInnen der Zivilgesellschaft in MSGs hin, da die Diskussion von mächtigen Interessensgruppen dominiert werde und das ungleiche Machtgefälle weiterhin erhalten bleibe.

Die EITI hat in etlichen Ländern erstmals eine öffentliche Diskussion über Öl-, Gas- und Bergbaueinnahmen und deren Verwendung ermöglicht. Darüber hinaus wurden durch die EITI zum ersten Mal in der Geschichte vieler betroffener Länder Zahlen aus dem Öl-, Gas- und Bergbausektor veröffentlicht. Eine Schwäche der EITI ist allerdings der limitierte Anwendungsbereich der Initiative. Der EITI-Standard fordert ausschließlich einen Abgleich von Regierungseinnahmen und Unternehmenszahlungen. Wie jedoch die Rohstoff-Verträge gestaltet sind und ob etwa die Steuerleistungen der Öl- und Bergbauunternehmen angemessen sind, wird von der EITI nicht beurteilt. Eine Untersuchung der Wirkung von EITI in Mosambik ergab, dass wesentliche Verluste von öffentlichen Einnahmen auf ungünstige Vertragsvereinbarungen und illegale Praktiken zurückzuführen sind.(7) Nur wenn die Transparenzbestimmungen auf die Offenlegung von Verträgen, Lizenzbestimmungen, Umsätzen, interner Verrechnungspreise und andere produktionsrelevanter Daten ausgeweitet werden, können Kernprobleme im extraktiven Sektor wie illegale Finanzflüsse, Steuerhinterziehung und -vermeidung sowie die ungleiche Verteilung der Einnahmen angegangen werden.

Die Transparenz von Zahlungsströmen ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung dafür, um Rohstoffreichtum für positive Entwicklungseffekte zu nutzen. Dafür braucht es zusätzlich veränderte politische und rechtliche Rahmenbedingungen auf nationaler und internationaler Ebene. Dabei darf nicht verkannt werden, dass Veränderungen im Bergbausektor nicht immer Winwin-Situationen darstellen, sondern substanzielle Interessenskonflikte hervorrufen können - zwischen lokalen Eliten, nationalen und internationalen Unternehmen, lokalen Gemeinschaften und verschiedenen Regierungsebenen. Der EITI liegt die Grundannahme zugrunde, dass der Abbau von natürlichen Ressourcen alternativlos ist. Eine grundsätzliche Debatte über das Für und Wider des Rohstoffabbaus und potenzielle negative soziale und ökologische Auswirkungen sowie Opportunitätskosten ist dabei nicht vorgesehen. KritikerInnen sehen somit in der EITI ein Rechtfertigungsinstrument für die weitere ungehinderte Ausbeutung natürlicher Ressourcen.


Karin Küblböck ist Ökonomin an der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE).

Silke Pinter studiert Internationale Entwicklung an der Universität Wien und absolvierte im Frühling 2015 ein Praktikum in der ÖFSE.


Anmerkungen:

(1) UNCTAD 2015, The state of commodity dependence 2014

(2) Le Billon, Philippe (2011): Extractive sectors and illicit financial flows: What role for revenue governance initiatives? In: U4 Issue, 13.

(3) Weltbank (2003): Striking a Better Balance. Volume 1. The World Bank Group and Extractive Industries. Washington DC.

(4) Visser, Kees (2012): Lessons of Transparency from EITI A Report for Focus on the Global South;

(5) EITI (2015): EITI Progress Report.

(6) MSI Integrity (2015): Protecting the Cornerstone. Assessing the Governance of Extractive Industries Transparency Initiative Multi-Stakeholder Groups

(7) Ossemane, Rogerio (2013): Is the Extractive Industries Transparency Initiative Relevant for Reducing Diversions of Public Revenue? The Mozambican Experience. SAIIA Policy Briefing No 61. Mosambik.


Der Artikel ist eine Kurzfassung des ÖFSE/DKA Briefing Papers "Gläserner Bergbau? Transparenzinitiativen im extraktiven Sektor":
http://www.oefse.at/publikationen/briefing-papers/detail-briefing-paper/publication/show/Publication/Glaeserner-Bergbau-Transparenzinitiativen-im-extraktiven-Sektor/.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2015, Seite 35-36
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Februar 2016

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