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UNTERNEHMEN/2224: Afrika Produktionsstandort großer Autokonzerne (Gerhard Feldbauer)


Afrika Produktionsstandort großer Autokonzerne

Noch geringe einheimische Käuferschicht

von Gerhard Feldbauer, November 2011


2010 waren weltweit rund eine Milliarde Kraftfahrzeuge in Betrieb, darunter 850 Millionen Pkw. Ziel der Automobilindustrie ist, bis etwa 2025 die Kfz-Flotte zu verdoppeln, darunter 1,7 Mrd. Pkw. Da in den USA und Westeuropa eine wesentliche Steigerung der Fahrzeugzahlen kaum mehr möglich ist, spielen an erster Stelle die sogenannten RIC-Länder (Russland, Indien, China) als Absatzmärkte eine Rolle. Vor allem China und Indien werden hier als noch völlig ungesättigte Märkte gesehen. Liegt die Versorgungsdichte mit Fahrzeugen in Westeuropa bei 600 pro 1000 Einwohner und in den USA sogar bei 800 je 1000 Einwohner, so liegen die Quoten in China und Indien derzeit mit 34 bzw. 14 Autos auf 1000 Einwohner davon weit entfernt. Obwohl in China Autos noch den reichsten Schichten vorbehalten sind und ihre Nutzung noch immer Sache einer Minderheit ist, konnte die Branche in dem 1,3 Milliarden Einwohner zählenden bevölkerungsreichsten Land der Erde 2009 dennoch mit zwölf Millionen Fahrzeugen mehr absetzen als in den USA.

Unabhängig von der Entwicklung der Aufnahmekapazitäten dieser Länder richtet sich der Blick der strategischen Absatzplaner der Autoindustrie nach dem bisher am wenigsten genutzten Kontinent: Afrika.


VW schon seit 50 Jahren in Uitenhage

Aus Deutschland sind die großen Konzerne bereits seit langer Zeit in Afrika, vor allem im Südlichen präsent, VW dort schon seit über 50 Jahren. Dass dort der Polo sowie Golf V und auch der Jetta hergestellt werden, ist kaum bekannt. Allerdings gehen die meisten der dort produzierten Fahrzeuge noch an Käufer im Ausland. Vom Polo wurden 2010 mehr als 70.000 für den Export gefertigt. Ziel ist, mehr als 105.000 Fahrzeuge herzustellen, womit VW South Africa gemeinsam mit Toyota zum größten Hersteller im Land würde. VW steht mit 21 Prozent Marktanteil derzeit an der Spitze. Dazu tragen der lange Jahre in Südafrika gebaute "Citi Golf" und der Golf 1 bei. Von Letzterem wurden seit 1984 mehr als 377.000 Stück hergestellt. Der Citi Golf wurde 2010 durch den so genannten preiswerteren "VW Polo Vivo", ersetzt. Insgesamt stieg die Produktion im VW-Werk in Uitenhage(1) schon 2007 auf über 2,5 Millionen an.

Eine starke Präsenz hat sich Daimler in East London(2) aufgebaut. Mit etwa 2.400 Beschäftigten produziert der Stuttgarter dort derzeit die Mercedes C-Klasse. 2009 liefen über 41.000 Limousinen vom Band. Ihr Ausstoß soll schon in Kürze auf 65.000 steigen. Schon seit 2000 werden Limousinen in Märkte mit Rechtsverkehr nach Großbritannien, Australien und Japan exportiert. Seit dem Start der neuen C-Klasse 2007 werden auch Linkslenker hergestellt und in die USA exportiert. Zur Produktpalette in East London gehört die komplette Montage von Mercedes-Lkw und die Fertigung von Komponenten für Nutzfahrzeuge, darunter Fahrgestelle für Mercedes-Benz Busse. In Kapstadt unterhält Daimler Trucks eine Gießerei.

Auch BMW produziert in seinem 1973 in Rosslyn, einem Vorort von Pretoria, errichteten Werk Rechtslenker-PKW. 29 Prozent seiner in Japan verkauften Pkw kommen aus Südafrika. Von hier aus liefert der Münchner auch nach Algerien, Simbabwe und Nigeria. Gegenwärtig läuft dort der 3er BMW vom Band.


Einheimische Industrie will 2020 1,2 Millionen Autos produzieren

Renault arbeitet in Marokko mit einheimischen Autoherstellern zusammen und produziert sein kostengünstiges Modell Logan. Auch der Franzose peilt Südafrika als Absatzgebiet an. In der Werkstatt in Tanger sollen bis 2015 400.000 Fahrzeuge vom Band laufen. Hyundai hat sich dieses Jahr mit einheimischen Partnern in Nigeria verbunden. Mit seinen 150 Millionen Einwohnern ist das Land nach Südafrika zweitstärkste Wirtschaftsmacht des Kontinents und will Südafrika bald überrunden.

Aus den USA sind General Motors vertreten, aus Japan Nissan und Toyota. Aber auch China und Indien sind schon in Afrika angekommen. Mit billigeren Autos und Zulieferteilen machen sie den Europäern und den Amerikanern Konkurrenz. Der indische Tata-Konzern hat im Juli 2011 bei Pretoria in einem früheren FIAT-Werk etwa 100 Million Euro investiert.

Dennoch ist eine einheimische Autoindustrie auf dem schwarzen Kontinent im Entstehen, wenn zunächst erst vor allem in Südafrika. Dort werden von derzeit 600.000 in Afrika hergestellten Fahrzeugen etwa 480.000 gefertigt. 28.000 Beschäftigte zählt der Autosektor des Landes bisher. 2020 sollen nach Informationen, die aus Regierungskreisen durchsickern, 1,2 Millionen Autos produziert werden. Bekannt ist, dass die Regierung der Autoindustrie bereits seit 2008 Zuschüsse von 1,25 Mrd. Euro (13 Mrd. Rand) für Investitionen gewährte.

Mangels zahlungskräftiger Käufer spielt der ärmste Kontinent der Welt bisher aber erst vor allem eine Rolle als Absatzmarkt für Gebrauchtwagen. Viele deutsche Gebrauchtwagenhändler machen mit Autos, für die sich hierzulande keine Käufer mehr finden, mit der Verschiffung nach Afrika ein lukratives Geschäft. Aus Deutschland werden dorthin jährlich zirka 90.000 gebrauchte Autos exportiert. Das ist etwa ein sechstel der exportierten deutschen Gebrauchtwagen. Viele der Fahrzeuge befinden sich nach Experteneinschätzung in einem schrottreifen Zustand und würden keinen TÜV bestehen. Gefragt sind von afrikanischen Gewerbetreibenden und Kleinunternehmern vor allem Kleintransporter und Pritschenwagen.


Fußnoten:
(1) Uitenhage, kommerzielles Industriegebiet, Produktionsstandort von VW. Der 38 km entfernte Hafen von Port Elizabeth gewährleistet einen günstigen Export.
(2) East London (englisch; Afrikaans: Oos-Londen), Handels- und Hafenstadt, 456.394 Einwohner (2010). In der Ostkap-Provinz.


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Quelle:
© 2011 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. November 2011