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UNTERNEHMEN/2514: Management von kultureller Vielfalt (Spektrum - Uni Bayreuth)


Spektrum 1/2015 - Universität Bayreuth

Management von kultureller Vielfalt
Eine neue Aufgabe in kleinen und mittleren Unternehmen

Von Torsten Kühlmann und Ramona Heinz


Ich hatte in Brasilien eigentlich einen guten Job. (...) Was mich manchmal traurig macht ist, dass ich hier wieder an den Anfang muss. Ich habe schon studiert und gearbeitet, aber ich weiss, dass ich hier momentan nicht den gleichen Job bekommen kann (...). In 10 bis 15 Jahren kann ich mich vielleicht wieder für den gleichen Job bewerben."

Dieses Zitat einer brasilianischen Zuwanderin verdeutlicht die derzeitige Situation auf dem deutschen Arbeitsmarkt und in den deutschen Unternehmen. Obwohl durch den demografischen Wandel ein zukünftiger Fachkräftemangel prognostiziert wird, mangelt es noch an effektiven Strategien, ausländische Fachkräfte zu integrieren. Dabei kann Zuwanderung helfen, dem demografischen Wandel zumindest in Teilen zu begegnen. Ausländische Fachkräfte werden somit eine wichtige Ressource für die deutsche Wirtschaft bilden, die nicht weiter vernachlässigt werden darf.


Gegensätzliche Bewertungen von Zuwanderung

Seit Anfang des 21. Jahrhunderts nimmt die Zuwanderung in die Mitgliedstaaten der EU deutlich zu. Etwa die Hälfte der zugewanderten Personen stammt aus Ländern, die nicht zu den EU-Mitgliedstaaten zählen, wie etwa aus China, Indien oder der Ukraine. Diese Entwicklung beeinflusst nicht zuletzt das Arbeitsleben. Vermehrt setzt sich die Belegschaft von Unternehmen und Verwaltungen auch aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusammen, die nicht in Deutschland geboren sind und ihre eigenen kulturell geprägten Verhaltensnormen, Werte und Weltbilder mitbringen. Mittlerweile werden Verantwortliche aus Politik und Wirtschaft nicht müde, die Zuwanderung - insbesondere wenn es sich um Fachkräfte handelt - nicht mehr als Bedrohung, sondern als Chance zu bewerten, den künftigen Mangel an qualifizierten Beschäftigten in verschiedenen Branchen und Regionen abzumildern.

Hingegen reagieren deutsche Beschäftigte ebenso wie weitere Teile der deutschen Bevölkerung nicht selten mit Ablehnung, Ausgrenzung und Diskriminierung der aus dem Ausland zugewanderten Kolleginnen und Kollegen. So verwundert es nicht, dass 40 Prozent der Beschäftigten, die aus EU-Staaten zugewandert sind, schon nach einem Jahr wieder ihren deutschen Arbeitsplatz verlassen haben. Damit stehen Unternehmen wie Verwaltungen vor der Frage, wie mit der nationalen/kulturellen Vielfalt von Belegschaften umzugehen ist. Während zahlreiche deutsche Großunternehmen diese Herausforderung bereits angenommen haben und Maßnahmen zur Integration ausländischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durchführen, wissen wir wenig über den Umgang mit einer vielfältig zusammengesetzten Belegschaft - dem sogenannten Management of Diversity - bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU).


Das Projekt EUDiM

An dieser Lücke setzt das Projekt EUDiM an, das von der Europäischen Kommission gefördert wird, und - unter Federführung des Betriebswirtschaftlichen Forschungszentrums für Fragen der mittelständischen Wirtschaft e.V. (BF/M) - in vier europäischen Ländern den Umgang mit kultureller Vielfalt in KMU untersucht. Kulturelle Vielfalt wurde in der Untersuchung vereinfachend bestimmt als eine Belegschaft, die verschiedene Nationen umfasst. Ziel ist es, die Nutzung und die Wirksamkeit verschiedener Integrationsmaßnahmen zu erfassen sowie hinderliche und fördernde Rahmenbedingungen zu identifizieren. Hierzu wurden in Deutschland, Italien, Österreich und Spanien Vertreter von KMU, öffentlichen Einrichtungen und zugewanderte Fachkräfte befragt (siehe Abb.1)[*]. Die Ergebnisse sollen es ermöglichen, für Entscheidungsträger in Unternehmen und in der Politik Empfehlungen abzuleiten, wie die Integration von zugewanderten Beschäftigten am Arbeitsplatz vorangetrieben werden kann.


Noch kein ganzheitlicher Umgang mit kultureller Vielfalt

In die nachfolgende Zusammenfassung erster Ergebnisse der schriftlichen Befragung sind die Antworten von 115 Unternehmen eingeflossen. Dabei handelte es sich um kleine und mittlere Unternehmen mit bis zu 500 Beschäftigten, die in Deutschland ansässig sind. In den teilnehmenden Unternehmen waren im Durchschnitt 14 Beschäftigte aus anderen EU-Ländern beziehungsweise 5 Beschäftigte aus Drittländern (Nicht-EU) tätig. Im Verhältnis entspricht dies einem Anteil von 15 Prozent ausländischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Belegschaft. Nach eigener Aussage, befasst sich die Hälfte der Unternehmen schon seit mehr als zehn Jahren mit dem Thema "kulturelle Vielfalt".

Dennoch gaben fast alle Unternehmen an, bisher keine Strategie für den Umgang mit kultureller Vielfalt zu haben oder allenfalls vereinzelte Maßnahmen zu ergreifen, die sich auf kulturelle Vielfalt in der Belegschaft beziehen. Nur wenige befragte Unternehmen entwickeln derzeit ein Konzept zum Umgang mit kultureller Vielfalt oder haben eine Strategie, die schon seit einiger Zeit Anwendung findet (Abb. 2)[*]. Dies macht deutlich: Ein ganzheitlicher Umgang mit kultureller Vielfalt hat in den meisten kleinen und mittleren Unternehmen noch keinen Einzug gehalten.


Erfolgreiche Massnahmen

In welcher Weise bemühen sich KMU darum, zugewanderte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu integrieren? Um einen detaillierteren Einblick zu erhalten, wurden die Ansprechpartner aus den Unternehmen aufgefordert, anzugeben, in welchem Umfang und mit welchem Erfolg Instrumente des Management of Diversity im Unternehmen genutzt werden. In der Tabelle rechts findet sich eine Gegenüberstellung von Instrumenten, die in KMU besonders häufig oder eher selten zum Einsatz kommen (Tab. 1)[*].

Die Gegenüberstellung zeigt, dass sich die Maßnahmen häufig an Zuwanderinnen und Zuwanderer richten. Weniger verbreitet sind Instrumente, die den Beitrag deutscher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Führungskräfte zur Integration der ausländischen Beschäftigten in den Blick nehmen. Um Aufschluss darüber zu erhalten, welche Hindernisse Unternehmen vom Einsatz konkreter Maßnahmen abhalten, wurden die an der Untersuchung teilnehmenden KMU auch zu möglichen Schwierigkeiten befragt, die sich bei der Umsetzung dieser Aktivitäten ergeben können. Hier zeichnet sich ab, dass es keine herausragende Einzelbarriere gibt, sondern viele kleinere Hindernisse - wie etwa Unkenntnis, Unerfahrenheit oder Ressourcenknappheit - in ihrer Summe die Unternehmen zögern lassen, Maßnahmen zu realisieren. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, kleinen und mittleren Unternehmen Möglichkeiten für den effektiven Umgang mit kultureller Vielfalt nahezubringen und förderliche Rahmenbedingungen für die Implementierung solcher Instrumente aufzuzeigen.

Zugleich machen die erhobenen Daten deutlich, dass verschiedene Instrumente ein produktives, zufriedenstellendes und konfliktarmes Zusammenarbeiten von zugewanderten und deutschen Beschäftigten in KMU fördern können. Dazu zählen insbesondere die folgenden Maßnahmen für den Umgang mit kultureller Vielfalt:

  • Gleiche Vergütung bei gleicher Leistung
  • Unterstützung der zugewanderten Beschäftigten in rechtlichen und bürokratischen Angelegenheiten
  • Arbeit in internationalenTeams
  • Karriereplanung für zugewanderte Beschäftigte
  • Gemeinschaftsveranstaltungen für zugewanderte und deutsche Beschäftigte

Diese Instrumente zeichnen sich nach Aussagen der KMU, die diese Maßnahmen angewendet haben, durch eine hohe integrationsförderliche Wirkung aus. Dies gilt auch für die Maßnahmen:

  • Unterstützung bei der Wohnungssuche
  • Willkommenspakete mit Informationen für Zuwanderinnen und Zuwanderer

Sie werden bisher noch selten angewendet, so dass es hier ein deutliches Verbesserungspotenzial gibt.


Fazit

Zusammenfassend verweisen die Untersuchungsergebnisse auf einen deutlichen Nachholbedarf bei KMU in Sachen Management of Diversity. Zugleich wird deutlich, dass Möglichkeiten für den Umgang mit kultureller Vielfalt existieren und auch bereits in manchen KMU erfolgreich umgesetzt werden. Viele der Maßnahmen sind schon mit geringem Ressourcenaufwand realisierbar. KMU, die dem drohenden Fachkräftemangel nicht hilflos ausgeliefert sein wollen, werden nicht umhin können, sich mit Fragen des Management of Diversity zu beschäftigen. Als positives Beispiel kann die Erfahrung eines Zuwanderers aus Venezuela herangezogen werden, das sich in Zukunft hoffentlich auch andere Unternehmen zum Vorbild nehmen:

"Die Personalabteilung hat viel Unterstützung angeboten, um mir die Ankunft so leicht wie möglich zu machen. Nicht nur für mich, sondern auch für meine ganze Familie - was sehr wichtig ist. Sie haben uns bei der Wohnungssuche unterstützt und geholfen, die passende Schule für unsere Kinder zu finden. (...) Ausserdem gibt es viel Unterstützung bei bürokratischen Angelegenheiten, die hier sehr komplex sind. Das hat mir wahnsinnig geholfen."


Autoren

Prof. Dr. Torsten Kühlmann ist Inhaber des Lehrstuhls für Personalwesen und Führungslehre an der Universität Bayreuth. Er ist Vorstandsvorsitzender des Instituts für Internationale Kommunikation und Auswärtige Kulturarbeit e.V. (IIK Bayreuth).

Ramona Heinz ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Betriebswirtschaftlichen Forschungszentrum für Fragen der mittelständischen Wirtschaft e. V. an der Universität Bayreuth.


Linktipp
Weitere Informationen über die Untersuchung und ihre Ergebnisse finden sich auf der Homepage des Projekts: www.eudim.eu


Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
[*] Bildunterschriften von im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen und Tabellen der Originalpublikation:

Abb.  : Effektive Teamarbeit hängt heute in allen Branchen oftmals auch davon ab, dass Beschäftigte unterschiedlicher Herkunft erfolgreich integriert werden.

Abb. 1: Die Projektschritte im Überblick.

Abb. 2: Strategischer Umgang mit kultureller Vielfalt in KMU.

Abb. 3: Auch mittelständische Unternehmen stehen heute vor der Aufgabe, Beschäftigte unterschiedlicher Herkunft und Kultur zu integrieren.

Tab. 1: Ergebnis der Befragung kleiner und mittlerer Unternehmen in Deutschland im Rahmen von EUDiM.


KASTEN
 
Forschung und Transfer für den Mittelstand

Das Betriebswirtschaftliche Forschungszentrum für Fragen der mittelständischen Wirtschaft e.V. an der Universität Bayreuth (BF/M) hat es sich zur Aufgabe gemacht, mittelständischen Unternehmen betriebswirtschaftliche Forschungs- und Transfermöglichkeiten zu erschließen. Das Institut arbeitet an der Erforschung, Entwicklung und Einführung von effizienten Methoden und Instrumenten der Unternehmensführung. Derzeitige Themenschwerpunkte sind:

  • Unternehmensnetzwerke
  • Internationalisierung von KMU durch Netzwerke
  • Empirische Forschung und Transfer
  • Digitalisierung des Mittelstandes

www.bfm-bayreuth.de

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Quelle:
Spektrum-Magazin der Universität Bayreuth
Ausgabe 1 - Juni 2015, Seite 62-65
Herausgeber: Universität Bayreuth
Redaktion: Pressestelle der Universität Bayreuth, 95440 Bayreuth
Telefon: 0921/55-53 56, -53 24, Fax: 0921/55-53 25
E-Mail: pressestelle@uni-bayreuth.de
Internet: www.uni-bayreuth.de
 
Spektrum erscheint ein- bis zweimal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. September 2015

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