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UNTERNEHMEN/2849: Allianz einer der weltweit größten Versicherer der Öl- und Gasindustrie (urgewald)


urgewald - Pressemitteilung vom 18. Juni 2020

Allianz einer der weltweit größten Versicherer der Öl- und Gasindustrie

- Neue Studie zeigt: Allianz und Munich Re sind Top-Versicherer der Öl- und Gasindustrie
- Emissionen bereits erschlossener Kohle-, Öl- und Gasreserven steuern auf 2 Grad globale Erwärmung zu
- NGOs fordern Versicherungsbranche auf, aus allen fossilen Brennstoffen auszusteigen


München/Sassenberg - Die deutschen Versicherungskonzerne Allianz und Munich Re unterstützen öffentlich das 1,5 Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens, auch durch ihre Selbstverpflichtung in der "Net-Zero Asset Owner Alliance". Gleichzeitig gehören beide zu den weltweit größten Versicherern des Öl- und Gassektors. Dabei befindet sich die Allianz unter den Top10, Munich Re unter den Top15. Das legt eine neue Studie des NGO-Netzwerks Unfriend Coal/Insure Our Future, dessen deutsches Mitglied urgewald ist, offen. In einem Brief fordern die Umwelt- und Menschenrechtsverbände 30 Versicherungsgesellschaften auf, besonders neue Öl- und Gasprojekte sowie Kohlekonzerne nicht mehr zu versichern.

CO2-Emissionen der Öl- und Gasindustrie sprengen das Pariser Klimaziel Die Verbrennung von Öl und Gas ist für 55,6 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Daten des Weltklimarats, der Energiewirtschaft und von Umweltorganisationen zeigen, dass das Ziel, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, mit dem Kohlenstoffbudget bereits erschlossener Öl-,Gas- und Kohlereserven nicht zu halten ist. Demnach gibt es keinen Raum für eine Ausweitung der Produktion dieser fossilen Brennstoffe. Ganz im Gegenteil: Im 1,5 Grad-Szenario des Weltklimarats ohne CO2-Abscheidung und Speicherung muss der Verbrauch von Erdöl bis 2050 im Vergleich zu 2010 um 87 Prozent sinken, der von Erdgas um 74 Prozent.[1]

Trotzdem werden immer noch neue Öl- und Gasprojekte gestartet. Vor der Küste Guyanas in Südamerika etwa hat Ölmulti ExxonMobil in einem gewaltigen Öl- und Gasfeld in der Tiefsee mit der Produktion begonnen.[2] Im Norden Mosambiks wollen verschiedene Öl- und Gaskonzerne (Total, Eni, ExxonMobil und Shell) riesige Gasvorkommen erschließen.

Während acht der größten Öl- und Gasversicherer, darunter Allianz und Munich Re, bereits teils starke Einschränkungen in der Kohleversicherung [3] vorgenommen haben und sich vier davon verpflichtet haben, ihre Portfolios nach dem 1,5 Grad-Szenario auszurichten, ist im Bereich Öl und Gas bisher wenig passiert. Einige Konzerne wie AXA und Munich Re [4] haben ihren Versicherungsschutz für Ölsand-Projekte begrenzt, noch weniger haben Beschränkungen bei der Ölförderung in der Arktis und bei der Schieferöl-Produktion.

Versicherungsmarkt bei Öl und Gas extrem konzentriert

Im Auftrag der Unfriend Coal/Insure Our Future-Kampagne von den Beratungsagenturen Finaccord und HTF Market Intelligence erstellte Berichte zeigen, dass große internationale Konzerne wie Allianz, AXA XL, Munich Re, Liberty Mutual und Zurich zusammen den größten Teil des Öl- und Gas-Versicherungsmarktes kontrollieren. Danach kommen kleine spezialisierte Versicherungsunternehmen wie Fairfax und Starr sowie chinesische Firmen (People?s Insurance Company of China, China Pacific Insurance Co., Ping An). Zahlreiche Öl- und Gaskonzerne haben zudem firmeneigene Versicherungsmechanismen. Die Top 10 der Öl- und Gasversicherer teilen 70 Prozent des Marktes unter sich auf. Zwar ist dieser etwa drei Mal größer als im Kohlesektor, macht aber lediglich 0,7 Prozent aller Nicht-Lebensversicherungsprämien aus.[5]

"Versicherungskonzerne haben einen großen Hebel, um das Ende fossiler Brennstoffe einzuleiten. Denn ohne ihre Versicherung sind Kohleminen, Ölplattformen und Gaspipelines viel schwerer bis unmöglich zu realisieren", sagt Regine Richter, Energie-Campaignerin bei urgewald. Sie ergänzt: "Der Versicherungsmarkt im Öl- und Gasbereich ist so konzentriert, dass schon die Aktion weniger Versicherer einen großen Einfluss haben kann. Aufgrund des geringen Anteils an Prämien würde der Ausschluss von Öl- und Gasprojekten den Versicherern nicht einmal besonders weh tun. Dabei sind besonders die Versicherer gefragt, die als Mitglied der Net-Zero Asset Owner Alliance Klimaschutz versprechen wie Allianz und Munich Re."

Peter Bosshard, Koordinator der Unfriend Coal/Insure Our Future-Kampagne, sagt: "Die fossile Industrie steht durch COVID-19 enorm unter Druck. Das bietet die Möglichkeit, den erforderlichen Übergang zu einer kohlenstoffarmen Energiewirtschaft zu beschleunigen. In einer Zeit, in der mächtige Regierungen politisch gut vernetzte Öl- und Gasunternehmen retten, muss die Versicherungsbranche als Stimme der Vernunft auftreten und wissenschaftliche Befunde in den Entscheidungsprozess über CO2-intensive Projekte einbringen."

Forderungen an 30 Versicherungskonzerne

In einem Brief, den das NGO-Netzwerk an die Geschäftsführer von 30 weltweit führenden Versicherungen geschickt hat, fordern die Organisationen:

  • die Versicherung von neuen Öl- und Gasprojekten sofort zu stoppen;
  • sich zu verpflichten, die Versicherung für Öl- und Gasunternehmen im Einklang mit dem 1,5 Grad-Szenario auslaufen zu lassen;
  • die Versicherung neuer Kohleprojekte und von Kohleunternehmen zu stoppen; alle Vermögenswerte von Öl-, Gas- und Kohleunternehmen abzustoßen, die nicht im Einklang mit dem 1,5 Grad-Ziel sind;
  • Führungsaktivitäten transparent in Einklang mit dem 1,5 Grad-Ziel zu bringen sowie für eine nachhaltige und gerechte Erholung von der COVID-19-Pandemie einzutreten.

Unterzeichner des Briefs sind 350.org, ClientEarth, Foundation Development YES - Open-Pit Mines NO (Polen), Earthworks (USA), Greenpeace, Indigenous Environmental Network, Instituto Internacional de Derecho y Medio Ambiente (Spanien), Japan Center for a Sustainable Environment and Society, Market Forces (Australien), Oil Change International, Rainforest Action Network (USA), Reclaim Finance (Frankreich), Re:Common (Italien), Sierra Club (USA), Solutions For Our Climate (Korea), Stand.Earth (Kanada), Sunrise Project (Australien) und urgewald.


Über Insure Our Future
Die Unfriend Coal-Kampagne hat sich bisher darauf konzentriert, Versicherungskonzerne davon zu überzeugen, Kohleprojekte und -firmen nicht länger zu versichern bzw. darin zu investieren. Nun erweitert das Netzwerk die Kampagne, um alle fossilen Brennstoffe abzudecken, die nicht mit den internationalen Klimazielen vereinbar sind. Künftig tritt das Bündnis deshalb unter dem Namen "Insure Our Future" auf, unter dem es in den USA seit 2018 tätig ist. Unterstützt wird es u.a. von 350.org, ClientEarth (UK), Foundation Development YES - Open-Pit Mines NO (Polen), Friends of the Earth France, Greenpeace, Instituto Internacional de Derecho y Medio Ambiente (Spanien), Japan Center for a Sustainable Environment and Society (Japan), Market Forces (Australien), Rainforest Action Network (USA), Re:Common (Italien), Solutions for Our Climate (Korea), The Sunrise Project (Australien) und urgewald.


Quellen

[1] Insure Our Future Oil and Gas Insurance Briefing 0620

[2] https://urgewald.org/medien/exxonmobil-agm-research-reveals-banks-help-keep-staggering-oil-giant-alive

[3] https://urgewald.org/medien/allianz-hauptversammlung-vorbildlich-kohle-widerspruechlich-oel-gas

[4] https://urgewald.org/medien/munich-re-hauptversammlung-56-millionen-fuer-exxon

[5] Insure Our Future Oil and Gas Insurance Briefing 0620

Das Briefing "Time for the Insurance Industry to unfriend Oil and Gas" der Insure Our Future-Kampagne kann hier abgerufen werden:
https://urgewald.org/briefing-insureourfuture-oelgas-versicherungen0620

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Quelle:
Pressemitteilung vom 18. Juni 2020
Herausgeber: urgewald e.V.
Hauptgeschäftsstelle:
Von-Galen-Straße 4, 48336 Sassenberg
Telefon: 02583/1031, Fax: 02583/4220
Internet: www.urgewald.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juni 2020

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