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WOHNEN/202: Wohnen in Görlitz - Studienergebnisse vorgestellt (idw)


Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung e. V. - 02.02.2017

Studienergebnisse vorgestellt:
Wohnen in Görlitz - attraktive Alternative zum Großstadtstress


Von September 2015 bis Oktober 2016 haben mehr als 200 Interessierte eine Woche mietfrei in der Görlitzer Altstadt gewohnt. Das Projekt "Probewohnen Görlitz-Altstadt" wurde federführend von der städtischen Wohnungsbaugesellschaft KommWohnen Görlitz GmbH durchgeführt, unterstützt durch die Stadt Görlitz. Das Interdisziplinäre Zentrum für ökologischen und revitalisierenden Stadtumbau (IZS) in Görlitz, eine Einrichtung des Leibniz-Instituts für ökologische Raumentwicklung (IÖR) und der Technischen Universität Dresden, hat das Projekt wissenschaftlich begleitet. Nun haben die Projektpartner die Ergebnisse der Studie präsentiert.


Für die Untersuchung haben 195 Teilnehmende am Probewohnen vor und während ihres Aufenthaltes in Görlitz Fragebögen ausgefüllt. Ziel war es unter anderem zu erfahren, wie das Wohnen in Görlitz und generell in historischen Innenstadtbereichen kleinerer Städte attraktiver gestaltet werden kann. Die Ergebnisse sind aus Sicht der Projektpartner sehr erfreulich: In vielen Punkten stellen die Befragten der Stadt schon jetzt ein gutes Zeugnis aus.

Fast 80 Prozent finden Görlitz so attraktiv, dass sie sich grundsätzlich vorstellen können, in die Stadt an der Neiße zu ziehen. Doch machen die Ergebnisse der Befragung auch deutlich, wo noch Handlungsbedarf besteht.


Wer wohnte zur Probe?

Insgesamt haben 227 Menschen verteilt auf 115 Haushalte in der Görlitzer Altstadt zur Probe gewohnt - darunter 58 Paare, 20 Familien mit zusammen 28 Kindern und 31 Einzelpersonen. Sie wurden aus 305 Bewerbungen aus ganz Deutschland und Ländern wie den Niederlanden, den USA, Kroatien oder Polen ausgewählt. Knapp die Hälfte der Probewohner/-innen war 60 Jahre und älter, also fast oder bereits im Rentenalter und damit freier bei der Wahl ihres Wohnortes als etwa Familien mit berufstätigen Eltern und schulpflichtigen Kindern. Doch auch Letztere zeigten großes Interesse am Probewohnen. Interessant ist die Herkunft der Teilnehmenden: Die Hälfte der Befragten stammte aus Großstädten wie Berlin, Bielefeld, Dresden, Hamburg oder München. Besonders viele der "Görlitzer auf Probe" kamen aus den Bundesländern Nordrhein-Westfalen (16 %), Sachsen (15 %) und Baden-Württemberg (12 %).


Womit konnten Görlitz und die Altstadt punkten?

"Vierzig Prozent der Befragten, vor allem jene aus Großstädten, beurteilten die Wohnqualität in Görlitz als besser oder sogar viel besser als in ihrem derzeitigen Wohnort", erläutert Professor Robert Knippschild, Leiter des IZS in Görlitz. Als besonders positiv fielen die angenehme Atmosphäre der Stadt, die sehenswerte historische Altstadt und die Gastfreundschaft der Görlitzer ins Gewicht. Die vielseitigen kulturellen und gastronomischen Angebote der Stadt überraschten viele der Befragten, ebenso wie die Sauberkeit und das Gefühl der Sicherheit in Görlitz. Positiv fiel auch das Urteil über die Grenzlage im Dreiländereck und die Nähe zur polnischen Nachbarstadt Zgorzelec aus. Insgesamt wurden viele Aspekte deutlich positiver bewertet als bei einer früheren Auflage des Probewohnens in den Jahren 2009 und 2010.

Die "Historische Altstadt", der Stadtteil, in dem die Probewohnungen lagen, punktete wie schon Görlitz insgesamt mit Sauberkeit und Sicherheit, aber auch mit dem guten baulichen Zustand der Gebäude. Positiv wurden außerdem die Gestaltung von Parks und Grünanlagen, die kulturellen Angebote und die kurzen Wege zu verschiedenen Einrichtungen bewertet. Die Wohnungen in der Schwarzen Straße übertrafen die Erwartungen der Probebewohner/-innen vor allem in punkto Helligkeit und Größe der Räume.


Was gibt es aus Sicht der Probebewohner noch zu tun?

Als jung und dynamisch wurde Görlitz nur von knapp einem Viertel der Befragten wahrgenommen. Knapp zwei Drittel der Befragten bewerteten Görlitz schon jetzt als seniorenfreundlich, knapp die Hälfte als familienfreundlich. Aus Sicht einiger Probebewohner/-innen könnte aber mehr für Senioren und Familien getan werden. Während die älteren Befragten sich einen eigenen Pkw-Stellplatz vor der Haustür, einen Aufzug im Haus und eine Dusche in der Wohnung wünschen, vermissen junge Familien Sitz- und Spielmöglichkeiten im Innenhof. Viele der Befragten hätten gern einen Balkon. Diesen boten die drei Probewohnungen nicht und machten damit die typische Ausstattung von Wohnraum in historischen Innenstädten deutlich. Wurden Erreichbarkeit und Gestaltung von Parks und Grünflächen noch positiv bewertet, so fehlen nach Ansicht einiger Befragter doch in unmittelbarer Nähe der Wohnung, etwa in den Innenhöfen der Häuser, Grün und Bäume. Auch die Einkaufsmöglichkeiten für den täglichen Bedarf im Stadtteil könnten aus Sicht einiger Befragter verbessert werden.


Stärken stärken und besser vermarkten

"Unsere Untersuchung hat gezeigt, dass Görlitz schon jetzt für viele Menschen attraktiv ist. Vor allem für Menschen aus der Großstadt scheint die Stadt eine gute Alternative zur Hektik und auch zur angespannten Situation auf den Mietwohnungsmärkten zu sein", erläutert Professor Robert Knippschild vom IZS. Aus Sicht des Wissenschaftlers kommt es darauf an, dass die Stadt ihre Stärken erkennt, weiter entwickelt und mit diesen auch offensiver wirbt als bisher. "Andere Städte wie etwa Frankfurt/Oder und Słubice an der brandenburgisch-polnischen Grenze vermarkten zum Beispiel ihre Grenzlage sehr viel offensiver."

Der Geschäftsführer der KommWohnen Görlitz GmbH, Arne Myckert, sagt: "Die Erkenntnisse aus dem Probewohnen ermöglichen es, uns noch besser auf die Bedürfnisse potenzieller Mieter einzustellen. Wir sehen, wie wichtig etwa eine seniorengerechte Ausstattung der Wohnungen ist. Über den Bedarf an Anpassungen von Wohnungen auch in der historischen Altstadt, etwa durch den Einbau von Aufzügen, muss weiter diskutiert werden."

Auch Hartmut Wilke, der Leiter des Görlitzer Amtes für Stadtentwicklung, betont den Wert der vorliegenden Informationen: "Der Blick von außen ist für uns eine enorme Ergänzung unserer Kenntnisse. Die Befragungsergebnisse zeigen, welche Vorzüge die Menschen wahrnehmen und welche Ideen sie bewegen, wenn sie sich für Görlitz als potenziellen Wohnstandort interessieren. Diese Feststellungen werden wir in die Stadtentwicklung einbeziehen."



Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution165

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung e. V.,
Heike Hensel, 02.02.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Februar 2017

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