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INTERNATIONAL/060: Papua-Neuguinea - Reform von Dorfgerichten soll Frauen und Kinder besser schützen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. Mai 2012

Papua-Neuguinea: Reform von Dorfgerichten soll Frauen und Kinder besser schützen

von Catherine Wilson

Ein neues Programm soll Frauen und Kinder vor Gewalt schützen - Bild: © Catherine Wilson/IPS

Ein neues Programm soll Frauen und Kinder vor Gewalt schützen
Bild: © Catherine Wilson/IPS

Goroka, Papua-Neuguinea, 9. Mai (IPS) - In Papua-Neuguinea, wo Gerichte auf Dorfebene weit verbreitet sind, wollen die Behörden ein neues Programm einführen, das der Achtung international anerkannter Menschenrechte Vorschub leistet. Damit soll in ländlichen Gemeinden insbesondere der Schutz von Frauen und Kindern vor Gewalt verstärkt werden.

Experten gehen davon aus, dass das Programm auf längere Sicht dazu beitragen kann, die hohe Zahl der Opfer zu senken. Dorfgerichte haben einen großen Einfluss auf die Bevölkerung des pazifischen Inselstaates, die nur zu einem kleinen Teil in Städten lebt. Viele Gebiete sind so weit abgelegen, dass die Bewohner keinen Zugang zu den formellen Rechtsinstitutionen in der Hauptstadt Port Moresby und anderen urbanen Zentren haben.

In dem Land mit rund 6,7 Millionen Einwohnern verfügt das von den Provinzbehörden verwaltete Dorfgerichtssystem über 1.414 Gerichte und 14.000 Mitarbeiter. In 90 Prozent der Ortschaften sind diese Gerichte für Streitfälle zuständig, Jährlich werden bis zu 600.000 Fälle behandelt.

Die so genannte 'Restorative Justice' bringt Opfer und Täter und manchmal auch Gemeinschaften außerhalb der offiziellen Gerichtsbarkeit zusammen, um der Gerechtigkeit Genüge zu tun und den sozialen Frieden zu erhalten. Die Richter an den Dorfgerichten, die keine formelle juristische Ausbildung durchlaufen haben, wenden lokales Gewohnheitsrecht an. Aus Sorge um Frauen und Kinder, die oft gewaltsamen Übergriffen ausgesetzt sind, will die Regierung jedoch die Ausbildung der Dorfrichter reformieren.

Nach Angaben von Margaret Inamuka, die als Vorsitzende Richterin am Dorfgericht von Kabiufa in der Provinz Eastern Highlands tätig ist, geht es bei vielen Fällen um Ehebruch, Gewalt gegen Frauen sowie die Vertreibung von Frauen und Kindern aus ihren Häusern. Jeden Monat befasst sie sich mit durchschnittlich drei bis fünf Fällen von Gewalt gegen Frauen.


Kinder sexuell missbraucht und diskriminiert

Im Zusammenhang mit Kindern geht es vor allem um Diebstahl, körperliche Übergriffe und Vernachlässigung. In Papua-Neuguinea werden oft bereits 14-jährige Mädchen verheiratet. Sexueller Missbrauch sowie die Diskriminierung von adoptierten, obdachlosen und HIV-infizierten Kindern ist ebenfalls verbreitet. In anderen Fällen werden Frauen der Hexerei beschuldigt oder sollen bei Scheidungen den Brautpreis an die Schwiegerfamilie zurückzahlen.

Papua-Neuguinea hatte 1993 die UN-Kinderrechtskonvention (CRC) und zwei Jahre später die Frauenrechtskonvention CEDAW ratifiziert. 2009 wurde ein Gesetz zum Schutz von Kindern (Lukautim Pikinini) eingeführt. Die Verfassung des Staates enthält außerdem einen Artikel, dem zufolge das Gewohnheitsrecht nicht angewendet werden darf, wenn es zu Ungerechtigkeit führt.

Die große Entfernung der Dörfer und die schlechte Infrastruktur haben bisher verhindert, dass nationale und internationale Übereinkommen in ländlichen Gebieten umgesetzt werden. 2007 begann das Sekretariat der Dorfgerichte aber mit einem Pilotprojekt, um die Rechte von Frauen und Kindern besser zu schützen. Das Weltkinderhilfswerk UNICEF stellte dafür Finanzmittel und Expertenwissen bereit.

Das Pilotprojekt wurde in den Provinzen Eastern Highlands, Simbu, Milne Bay, East Sepik und Western Highlands durchgeführt. In Workshops für Gemeindeführer, Frauen, Gerichtsbeamte und Jugendvertreter wurden Themen wie Menschenrechte, das Recht auf Nicht-Diskriminierung und den Schutz von Frauen vor Gewalt sowie die Grundsätze von CEDAW und CRC sowie Jugendstrafvollzug behandelt.

"Das Programm bedeutete einen kulturellen Durchbruch", sagte Dora Kegemo, die für das Projekt in Eastern Highlands als Beraterin tätig ist. Einige Traditionen im Land seien gut, betonte sie. Wenn Kinder beispielsweise ihre Eltern verlören, seien andere Mitglieder der Familie dazu verpflichtet, sich um sie kümmern und die Schulgebühren zu zahlen. Diese Kultur solle durch das Programm gefördert werden. Geplant ist zudem, die gesellschaftliche Partizipation von Frauen und ihr Recht auf freie Meinungsäußerung zu stärken.


Brautpreis-Praxis umstritten

Auch der Brautpreis ist ein kontrovers diskutierter Teil des Gewohnheitsrechts. "Männer denken oft, dass ihnen die Frau gehört, wenn sie das Brautgeld bezahlt haben", kritisierte Kegemo. "Wenn Männer etwas gegen den Willen von Frauen tun, haben diese kaum Möglichkeiten, auf ihren Rechten zu bestehen. Das neue Programm stellt die grundlegenden Menschenrechte von Frauen in den Vordergrund."

Laut Kegemo ist es bisher außerdem üblich, dass Adoptiveltern die angenommenen Kinder als ihren Besitz betrachten. "Auch wenn ein Kind missbraucht wird, muss es weiter bei den Adoptiveltern bleiben. Wir sagen aber, dass Kinder das Recht haben sollten, zu erfahren, wer die leiblichen Eltern sind."

Ziel des Pilotprojekts ist es auch, die Zahl der Richterinnen in den Dörfern zu erhöhen, mehr Fälle von häuslicher Gewalt zur Anzeige zu bringen sowie die Bevölkerung stärker dafür zu sensibilisieren, dass tätliche Übergriffe auf Frauen und Kinder inakzeptabel sind.

Laut Roseanne Koko von der nichtstaatlichen Organisation 'Eastern Highland Family Voice', die Opfern häuslicher Gewalt hilft, werden 60 Prozent der registrierten Fälle außergerichtlich durch Mediation und Entschädigungen beigelegt.

Wie ein UNICEF-Sprecher erklärte, sollen die Ergebnisse einer 2010 durchgeführten Evaluierung des Programms Ende dieses Jahres von der Regierung veröffentlicht werden. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:
http://www.un.org/womenwatch/daw/cedaw/
http://www.unicef.org/infobycountry/papuang.html
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=107710

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Mai 2012