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INTERNATIONAL/122: Honduras - Auslieferungsverfahren gegen Drogenbaron, Test für junges Rechtsmittel (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. April 2014

Honduras: Auslieferungsverfahren gegen Drogenbaron - Lackmus-Test für junges Rechtsmittel

von Thelma Mejía


Bild: © Mit freundlicher Genehmigung des honduranischen Innenministeriums

Mitglieder einer Polizeisondereinheit bei einer Razzia in einem Haus des mutmaßlichen Drogenbarons Lobo in der honduranischen Stadt San Pedro Sula
Bild: © Mit freundlicher Genehmigung des honduranischen Innenministeriums

Tegucigalpa, 7. April (IPS) - Honduras wird in diesem Monat über einen US-Auslieferungsantrag gegen einen mutmaßlichen Drogenhändler entscheiden. Der Fall gilt nicht nur als Bewährungstest für ein zwei Jahre altes Rechtsmittel, sondern auch als Warnschuss für Politiker mit besten Verbindungen zur organisierten Kriminalität.

Carlos Arnoldo 'El Negro' Lobo gehört zu den wichtigsten Rauschgifthändlern der Region. Er soll mit dem kolumbianischen Kartell 'Los Mellos de Kasandra' zusammengearbeitet haben. Am 27. März wurde er in einer Bäckerei in einem Nobelviertel der nordwesthonduranischen Stadt San Pedro Sula von einer Polizeieliteeinheit gestellt.

Das Auslieferungsverfahren beginnt am 10. April und könnte bereits am gleichen Tag abgeschlossen sein. Von dem ihm zugrunde liegenden juristischen Mittel verspricht sich die Regierung Erfolge im Kampf gegen die verbreitete Straflosigkeit. Honduras zählt zu den Staaten Lateinamerikas mit der höchsten Kriminalitätsrate. Staatspräsident Juan Orlando Hernández macht dafür den Umstand verantwortlich, dass Honduras zum Durchgangsland für 80 Prozent der südamerikanischen Drogen in Richtung USA geworden ist.

'El Negro' stammt ursprünglich aus Esparta im karibischen Küstendepartement Atlántida, Er soll Drogen aus Costa Rica, Guatemala, Honduras, Kolumbien, Mexiko und Panama verschifft und die Lieferungen in den Süden der USA koordiniert haben. Bei seiner Festnahme wurden zudem vier Häuser in zwei Luxussiedlungen in San Pedro Sula und drei Fahrzeuge beschlagnahmt.

In den letzten zwei Jahren ordnete die Staatsanwaltschaft drei Razzien in drei Küstenregionen - auf den Bahía-Inseln, in der Hafenstadt La Ceiba und in San Pedro Sula - und die Konfiszierung von 46 Besitztümern wie Häuser, Yachten und Grundstücke an. Auch die Konten mutmaßlicher Rauschgiftbarone wurden gesperrt.


Reform 2012

Im Januar 2012 hatte das honduranische Parlament den Verfassungsartikel 102 reformiert, um die Auslieferung von Honduranern im Zusammenhang mit Drogendelikten, dem organisierten Verbrechen und Terrorismus in andere Länder zu ermöglichen. Im April des gleichen Jahres beantragten die USA die Auslieferung von Lobo. Zwei Jahre später verfügte ein vom Obersten Gerichtshof (CSJ) ernannter Sonderrichter die Festnahme des Drogenhändlers.

"Als 'El Negro' von dem US-Auslieferungsgesuch erfuhr, tauchte er unter und verließ häufig das Land. Es war schwierig, ihn aufzuspüren, da er selten sein Handy benutzte und den Kontakt zu seinen engsten Angehörigen mied. Auch mit E-Mails hielt er sich zurück", berichtete ein Anti-Drogen-Berater des Landes, der sich aus Sicherheitsgründen Anonymität ausbat.

Am 10. April wird der zuständige Richter entscheiden, ob Lobo, der in einem Hochsicherheitstrakt im größten honduranischen Gefängnis in 30 Kilometer Entfernung von Tegucigalpa einsitzt, ausgeliefert wird. Sollte dies der Fall sein, hat die Verteidigung die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen. In diesem Fall hat der Richter drei Tage Zeit, um über die Zulässigkeit des Revisionsantrags zu entscheiden. Lehnt er das Gesuch ab, kann er noch am gleichen Tag die Überstellung von 'El Negro' in die USA veranlassen.

Das Auslieferungsverfahren gegen Lobo wird zum Testfall eines juristischen Mittels werden, das nach Ansicht des CSJ in einigen Punkten nachgebessert werden muss. So müssten Sicherheitsvorkehrungen wie die Bereitstellung gepanzerter Fahrzeuge und einem Zeugenschutzprogramm getroffen werden, was zum Teil bereits erfolgt ist.

"Alles deutet darauf hin, dass die Regierung zum Schlag (gegen das organisierte Verbrechen) ausholt. Mit ihrer Auslieferungsbereitschaft bekräftigt sie ihren politischen Willen dazu", meint der politische Analyst Miguel Cálix.


Ermittlungen gegen korrupte Politiker erwartet

Wie ein für die Drogenbekämpfung zuständiger Staatsanwalt gegenüber IPS erklärte, ist der Fall El Negro nicht nur aus juristischen, sondern auch aus politischen Gründen brisant, "da Politiker mit Verbindungen zur Mafia wissen, dass sie damit rechnen müssen, dass gegen sie ermittelt wird." Auch für ihn steht fest, dass Präsident Hernández fest entschlossen ist, den Auslieferungsprozess voranzubringen. Auch wenn nach wie vor unklar sei, wie die Justiz auf den Druck des Staatschefs reagieren werde, so wisse man von Treffen lokaler Drogenhändler, auf denen über die Möglichkeiten einer gemeinsamen nationalen Strategie diskutiert worden sei.

Die Auslieferung ist unter Rechtsexperten umstritten, weil sie die Bürger- und Menschenrechte von Honduranern betrifft. Auch weckt der Fall Erinnerungen an einen Verfassungsverstoß vor 20 Jahren, als der Honduraner Juan Ramón Matta ohne vorhandene rechtliche Grundlage wegen des Verdachts des Drogenhandels an die USA ausgeliefert wurde, wo er bis heute in einem Hochsicherheitsgefängnis einsitzt.

Honduras entwickelt sich derzeit von einem Drogendurchgangs- zum -produktions- und -weiterverarbeitungsland. In den westlichen Landesteilen und an der nördlichen Küste ist der Staat weitgehend abwesend, der Anblick gepanzerter Fahrzeuge mit schwerbewaffneten Männern keine Seltenheit. Dort operieren kleinere Kartelle, die zudem von der verbreiteten Korruption und Straflosigkeit im Lande profitieren und beste Verbindungen zur mexikanischen und kolumbianischen Mafia unterhalten. (Ende/IPS/kb/2014)


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http://www.ipsnoticias.net/2014/04/honduras-inaugura-procesos-de-extradicion-con-un-narco/

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IPS-Tagesdienst vom 7. April 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. April 2014