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STELLUNGNAHME/052: Freispruch für Aktionsschwarzfahrer (Projektwerkstatt Saasen)


Projektwerkstatt Saasen - Presseinformation vom 26.04.2018

Freispruch für Aktionsschwarzfahrer!


Wer offen sichtbar ohne Ticket fährt und, wie in diesem Fall, zudem Flugblätter gegen die Kriminalisierung des Schwarzfahrens und für die Einführung des Nulltarifs demonstriert, begeht keine strafbare Handlung. Das stellte das Landgericht München am heutigen Donnerstag nach zwei Verhandlungstagen fest und sprach den Angeklagten frei, der am 2. und 3. März 2015 mit vier anderen Aktivisten von Kempten über München nach Nürnberg und Frankfurt bis Gießen in einer angekündigten Aktion unterwegs war. Für die Aktionsschwarzfahrer*innen, die an verschiedenen Orten mit ihren Handlungen für Furore sorgten und manch Gericht beschäftigten, stellt der Erfolg am Landgericht einen wichtigen Meilenstein dar. Denn sie vertrauen nicht auf die Parlamente, sondern wollen Druck von unten aufbauen, um eine Verkehrswende herbeizuführen.

"Wir rufen alle Menschen auf, die sich keine Tickets leisten können oder wollen, nicht weiter Straftaten zu begehen - denn das ist nicht mehr nötig", richteten der Angeklagte Dirk Jessen und sein Verteidiger Jörg Bergstedt einen Appell an die vielen Tausend Schwarzfahrenden des Landes. "Unterstützt vielmehr durch Euer offenes Bekenntnis und Eintreten für die Idee des fahrscheinlosen Personenverkehrs die Idee des Nulltarifs. Denn wenn der eingeführt wird, ist Knast für Schwarzfahren ein für alle Mal Geschichte. Und eine autoverstopfte Stadt auch!"

Im heute mit dem Freispruch abgeschlossenen Verfahren ging es um eine lange geplante, öffentlich beworbene und spektakuläre Demonstration. Schon während des ersten Prozesstages vor zwei Wochen blieben keine Zweifel, dass sich der Angeklagte zusammen mit dem ebenfalls damals beteiligten, aber schon freigesprochenen Verteidiger und anderen Aktivisten sehr auffällig verhalten hatte. Schon vormittags war ihnen die Bundespolizei auf den Fersen, mittags veröffentlichte diese selbst eine bundesweite Pressemitteilung zur Aktion - mit Foto der Aktivisten am Münchener Hauptbahnhof. Ein zweiter Verhandlungstag war nötig, weil die Staatsanwaltschaft weitere Zeugen hören wollte, um doch noch irgendein Vergehen der 5er-Gruppe nachzuweisen. Das gelang nicht - und so war der Freispruch unumgänglich. Aufgehoben wurde damit auch die erstinstanzliche Verurteilung. "Damals hatte die Starnberger Richterin sich einfach viele Sachen ausgedacht, um trotzdem eine Strafe verhängen zu können", kritisierte Verteidiger Bergstedt das Amtsgericht.


Hintergründe, Gesetzestexte und -kommentare, Urteile und Studien zum Nulltarif unter:
www.schwarzstrafen.tk

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Quelle:
Projektwerkstatt Saasen
Ludwigstr. 11, 35447 Reiskirchen-Saasen
E-Mail: saasen@projektwerkstatt.de
www.projektwerkstatt.de/saasen


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. April 2018

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