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STANDPUNKT/042: Mit einem Heiligen Jahr der Vergebung will Franziskus sein Image aufbessern (Gerhard Feldbauer)


Ein geschickter Schachzug

Mit einem Heiligen Jahr der Vergebung will Franziskus sein Image als Reformpapst aufbessern

Von Gerhard Feldbauer, 16. März 2015


Genau zwei Jahre nach seinem Amtsantritt am 13. März 2013 hat Papst Franziskus am Wochenende mitgeteilt, dass dieses Jahr ein "Außerordentliches Jubiläum", ein weltweites "Heiliges Jahr der Barmherzigkeit" begonnen wird. Es werde, wie die von Radio Vatikan verbreitete Pressemitteilung des Vatikans hervorhob, offiziell am Sonntag nach Ostern (12. April) mit einer Bulle (Urkunde) des Papstes verkündet. Es beginne am 8. Dezember mit der Öffnung der Heiligen Pforte des Petersdoms und ende am 20. November 2016, dem Christkönigsfest. Das letzte "Heilige Jahr" hatte der Pole Karel Wojtyla, bekannt als Papst Johannes Paul II., zum Millennium 2000 ausgerufen. Es ist ein "Außerordentliches", weil solche Jubiläen gewöhnlich nur alle 50 Jahre stattfinden.


Orientiert an Giovanni ventitre

Mit diesem Heiligen Jahr will der frühere Erzbischof von Buenos Aires, Mario Bergoglio, ganz offensichtlich seinen Ruf als Papst der Hoffnung und der Reformen und damit Retter der katholischen Kirche aus der tiefen Krise, in die sie seine erzreaktionären Vorgänger Johannes Paul II. und der deutsche Papst Benedikt XVI. alias Josef Ratzinger, stürzten, vertiefen. Nicht zufällig hat er den Beginn dieses "außerordentlichen Jubiläums" auf den 50. Jahrestag des Abschlusses des 2. Vatikanischen Konzils am 8. Dezember 2015 festgelegt. Das sei "eine Einladung, das mit dem Konzil begonnene Werk fortzuführen", betonte Radio Vatikan.

Eröffnet hatte diese Versammlung der Erzbischöfe, Bischöfe und Ordensoberen aus aller Welt im Oktober 1962 Papst Johannes XXIII. Der im Denken vieler Katholiken als Papst der Reformen, des Friedens und der Kritik am Kapitalismus noch immer tief verwurzelte Angelo Giuseppe Roncali, Sohn eines armen Vier Hektar Bauern, der im Oktober 1958 als Giovanni Ventitre den Stuhl Petri bestieg, eignet sich wie kein anderer dazu das von Franziskus angestrebte Image eines volksverbundenen Pontifex zu profilieren. Mit seiner Enzyklika "Mater et Magistra" (Mutter und Lehrmeisterin) hatte er Fragen des sozialen Fortschritts und der Menschenwürde der Ärmsten thematisiert, überholte Leitsätze der reaktionären katholischen Soziallehre in Frage gestellt. Mit "Pacem in terris" (Friede auf Erden" war er dem Wettrüsten entgegengetreten, hatte das Verbot der Atomwaffen gefordert und während der Kuba-Krise im Oktober 1962 einen Friedensappell an die Welt gerichtet. Johannes XXIII. starb während des Konzils am 3. Juni 1963. Seine Nachfolger Paul VI. und nach ihm Wojtyla und Ratzinger sorgten dafür, dass die von ihm ins Auge gefassten Reformen, wo sie nicht rückgängig gemacht wurden, stagnierten.


Krieg - ein "Glaubensbekenntnis an das Geld"

Was Franziskus jetzt zum "Heiligen Jahr" und auch bei anderen Gelegenheiten vorbrachte, klingt denn für Vatikankenner vielfach wie bei Giovanni ventitre abgekupfert. So wenn er von "denen in der Welt" spricht, die unter "neuen Formen der Sklaverei" - auch in der Arbeitswelt - leiden, den Opfern von Krieg, Menschen- und Drogenhandel sowie den Kindern und Frauen, die unter Gewalt litten. Vor der Verkündung hatte der Papst bei einer Morgenmesse mit Eltern von bei "in Friedensmissionen" getöteten oder verwundeten Soldaten den Krieg einen "Irrsinn" genannt, ein "Glaubensbekenntnis an das Geld, an die Götzen". Mit dem Krieg gehe "alles verloren", mit Frieden "gewinne man alles". Dann kritisierte er auch noch "die Dominanz der Wirtschaft sowie der Finanzwelt", forderte eine "Reform des Finanzsystems" und erklärte die Vatikan-Bank IOR wolle durch Offenlegung ihrer Finanzen dazu einen Beitrag leisten.


Soll Israel für eine Seligsprechung Pius XII. gewonnen werden?

Die Anknüpfung an Johannes XXIII und seinem II. Vatikanum bringen Kenner des Heiligen Stuhls noch mit einem weiteren Vorhaben Franziskus' in Verbindung. Johannes XXIII. eignet sich auch wegen seiner Rettung Tausender verfolgter Juden vor dem Holocaust, für das er an der Gedenkmauer Yad Vashem geehrt wird, dazu, das Verhältnis zu Israel zu entspannen. Zumal das vom Konzil verabschiedete Dekret "Über die Religionsfreiheit" den Antijudaismus und alle Manifestationen des Antisemitismus verurteilte. Mit der Versicherung, dieses "Werk fortzusetzen", hofft Franziskus Israel gegenüber einer im Vatikan verfolgten Seligsprechung Pius XII., dessen Förderung des Faschismus besonders in Hitlerdeutschland und seiner Untätigkeit gegenüber dem Holocaust Tel Aviv entschieden verurteilt, versöhnlich zu stimmen.

Schließlich erregt noch die Äußerung des Papstes Aufmerksamkeit, dass er mit einem kurzen Pontifikat rechne - er sprach von vier oder fünf Jahren - und schloss einen Rücktritt nicht aus. Wenn sein "Reformwerk" dann wieder stagnieren sollte, kann ein neuer "Hoffnungsträger, vielleicht aus der Reihe der kürzlich von ihm berufenen jungen Kardinäle der Dritten Welt, auf den Plan treten.

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Quelle:
© 2015 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. März 2015

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