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SCHACH-SPHINX/04662: Konfektionsgröße für den Geist (SB)


Mit dem Anstieg der Turniere haben sich auch die kreativen Leistungen der Schachspieler verbessert. Kombinationen von schillernder Schönheit, tiefes Verständnis der Positionen, feines Abwägen von Materiel- und anderen Wirkkomponenten während einer Partie, all das steckte in Zeiten mit geringerer Turnierdichte noch in den Kinderstuhen. Und doch trifft der allgemeine Vorwurf, die Meister der alten Epoche hätten stürmisch, aber nicht planvoll, intuitiv, jedoch ohne gereifte Strategie gespielt, die Wirklichkeit ihres Denkens nicht. Daß die Spieler seinerzeit waghalsiger zu Werke gingen, viele zum Remis führende Abwicklungen übergingen und überhaupt, wie gern behauptet, im Angriff Künstler, in der Verteidigung jedoch Stümper gewesen wären, hatte einen simplen Grund. Ein Remis wurde damals nämlich auf vielen Turnieren nicht gewertet. Wollte ein Meister auf einem vorderen Tabellenplatz landen, mußte er notgedrungen kühner agieren. Für Remisklammerer und beschauliche Museumsgängermentalitäten war die Turnierhalle kein geeigneter Ort. Wie in der Gesellschaft formten die vorherrschenden Bedingungen auch in der Schachkunst den Geist aus. Erst als später ein Remis mit einem halben Punkt zu Buche schlug, stieg das Interesse der Spieler an diesem Partieausgang. Was vorher keiner Aufmerksamkeit wert war, begann dann in ihrem Denken Raum zu greifen bis hin, daß die alten stets dem Angriff verpflichteten Gambitsysteme aus der Mode kamen und lange, rein positionelle Eröffnungen die Oberhand gewannen. Im klassischen Sturm- und-Drang-Sinne verlief auch das heutige Rätsel der Sphinx, wo Meister Winawer mit Weiß dank eines brachialen Opferzuges die schwarze Königsburg in Schutt und Asche legte. Also, Wanderer, was geschah, nachdem sein Kontrahent Riemann zuletzt 1...De7-f7 gezogen hatte?



SCHACH-SPHINX/04662: Konfektionsgröße für den Geist (SB)

Winawer - Riemann
Berlin 1881

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Meister Gligoric befreite seinen Turm mit 1...Tc3-b3! aus der Fesselung und prompt mußte sein Kontrahent Maric die Waffen strecken, weil Turm- oder Damenverlust unvermeidlich war.


Erstveröffentlichung am 04. Februar 2001

21. Februar 2013





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