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SCHACH-SPHINX/04982: Gezänk unter Senioren (SB)


Vor Jahren trug sich auf einem Turnier für Senioren folgende kleine, nicht unlustige Begebenheit zu. Um das Inkognito zu wahren, seien den beiden Akteuren die Namen Meister Alpha und Meister Beta gegeben. Meister Alpha hatte den Beginn seiner Partie um wenige Minuten versäumt. Eine lästige Dame hatte ihn umständlich danach gefragt, warum sie nicht näher an die Spielenden herantreten durfte; hinter der Absperrung käme sie sich nämlich vor wie ein staunendes Zebra. Nun irrte er selbst wie ein verlorenes Herdentier im Saal herum, nicht wissend, wo und gegen wen er zu spielen hatte. Nachdem er einige Zeit herumgegeistert war, fand er endlich einen assistierenden Schiedsrichter, der ihn sogleich zu seinem Tisch brachte und mit der Bitte allein ließ, auf seinen Gegenspieler zu warten. Offenbar hatte auch dieser den Partiebeginn verschlafen. Jedenfalls machte Meister Alpha seinen Zug und ließ die Schachuhr laufen. Nach einer halben Stunde kam ihm die Sache doch ein wenig merkwürdig vor. Aber was machte das schon, kampflos zu siegen, war auch eine nette Angelegenheit. Also eilte er zum Hauptschiedsrichter hin, um das Fernbleiben seines Gegners zu beanstanden, als ihm von der anderen Seite des Saales ein älterer Herr entgegenkam. Beide lenkten ihre Füße zum verantwortlichen Schiedsrichter hin und beanspruchten einen Siegespunkt. Ihr Gegner sei nicht erschienen, kam es fast wie aus einem Munde. Ein Blick in die Liste bestätigte den Verdacht des Unparteiischen. Meister Alpha und Meister Beta hätten seit fast einer Stunde im schachlichen Streit miteinander liegen sollen. Offenbar habe man sie jeweils an einen falschen Tisch geführt. Da nun beide ihre Unschuld an diesem Irrtum beteuerten, von der Forderung nach einem Punkt jedoch nicht abrücken wollten, und dies auch wildgestikulierend bekundeten, stellte der Schiedsrichter, an den Rand seiner Geduld gebracht, beide mit einem drohend feurigen Blick vor die Wahl, entweder ans Brett zu eilen oder sich im Verweigerungsfalle einen Minuspunkt einzuhandeln. Murrend entfernten sich beide, und es hieß, sie hätten nach fünfeinhalb Stunden Kampf erschöpft in ein Remis eingewilligt. So kann es kommen, bitterer kam es jedoch für Meister Dufresne, dessen schwarzer König dichter an einem Matt war, als ihm lieb gewesen sein dürfte. Also, Wanderer, das heutige Rätsel der Sphinx stammt aus der wildromantischen Ära der Schachkunst. Du kannst dir also denken, daß es hier ohne Opfer nicht abging!



SCHACH-SPHINX/04982: Gezänk unter Senioren (SB)

Neumann - Dufresne
Berlin 1863

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Sattsam am Fernschachbrett überdacht, konnte Meister Makarow seine beiden Züge mit großer Siegeszuversicht dem Postboten anvertrauen. Und in der Tat, als Meister Kontenko las, was sein Kontrahent ausgetüftelt hatte, schickte er umgehend ein Gratulationsschreiben ab. Was hatte Meister Makarow gefunden? Dieses: 1...Dc4xf1+!! 2.Kg1xf1 Ld2-g5! Der Läufer war wegen 3.Dh4xg5 Lf5-h3+ 4.Kf1-g1 Te8-e1# nicht zu schlagen. Andersherum durfte die Dame das Feld h3 nicht aus den Augen lassen, was ohne Selbstopfer jedoch nicht möglich war. Mit einer Qualität weniger allerdings wäre die Stellung für Weiß ohnehin verloren gewesen.


Erstveröffentlichung am 21. Mai 2001

07. Januar 2014





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