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SCHACH-SPHINX/05055: Stilblüte oder Sumpfgewächs? (SB)


Es ist recht wunderlich, wenn ein Meister mit seiner Meinung über den eigenen persönlichen Stil mitunter meilenweit von der Meinung des Publikums, der Kritiker und auch der Schachspielerkollegen abweicht. Ein hervorragendes Beispiel für diese Diskrepanz ist der ehemalige deutsche Weltmeister Emanuel Lasker, dessen Spiel im großen und ganzen nüchtern, pragmatisch, unverschnörkelt, geradlinig, prosaisch, aber auch blutleer bezeichnet wurde, kurzum: Lasker war ein genialer Schachschöpfer, aber kein Designer extravaganten Spiels. Er allerdings charakterisierte sein Vorgehen auf dem Brett ganz anders: "Über meinen Stil ist sehr viel geschrieben worden; hier gibt es Verständliches und Unverständliches, Tiefes und Oberflächliches, Lob und Tadel, Überschwenglichkeit und Unterbewertung ... Ich glaube, daß meine Begabung auf dem Gebiet der Kombination liegt. Unter einer Vielzahl von Möglichkeiten das Interessanteste und Wesentlichste zu finden, reizt mich. Ich bin nicht damit einverstanden, daß es im Lebenskampf immer nur eine Möglichkeit gibt, welche die beste, vernünftigste, vorteilhafteste oder zweckmäßigste vor allen anderen ist; auf alle Fälle denke ich, daß es nicht in den menschlichen Kräften liegt, immer die Note 'vorzüglich' zu erreichen." Richtiges und Falsches ergänzen sich im Bild eines Menschen zu einer festen Einheit. Womit Lasker Recht gehabt hatte, war, daß es in der Tat diesen einen, unverwechselbaren, korrekten, zum Stellungsprofil passendes Zug nicht gibt und nie geben wird. Ob dieses Talent, nämlich der eigenen Denklinie zu folgen, sich nur auf dem Gebiet der Kombination ausschöpfen läßt, darin eben zeigte sich seine Phantasiearmut, die seine Kritiker an ihm zu bemängeln hatten. Aber nun zurück zum heutigen Rätsel der Sphinx und damit zur Partie zwischen dem Engländer Miles und dem Amerikaner Browne. Miles mit den weißen Steinen am Zuge fand in der Diagrammstellung eine hübsche Siegeskombination, an der auch Lasker seine Freude gehabt hätte. Kannst du dich darauf besinnen, Wanderer, was ihm so große Freude bereitet hätte?



SCHACH-SPHINX/05055: Stilblüte oder Sumpfgewächs? (SB)

Miles - Browne
Luzern 1982

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Dank des weit vorgerückten schwarzen Freibauern auf a3 konnte der österreichische Großmeister Karl Schlechter mit dem wohlberechneten Damenopfer 1...De6xf5!! den Weg zum Sieg wesentlich abkürzen: 2.Dg4xf5 a3-a2 3.e5-e6 f7xe6 - aber nicht 3...a2-a1D? 4.Df5xf7+ Kg8-h8 5.e6-e7 Da1-a4 6.d4-d5 und die weißen Freibauern sind stärker als der schwarze Turm: 6...Da4-e8 7.Df7xe8+!! Ta8xe8 8.d5-d6! - 4.Df5xe6+ Kg8-h8 und hier gab sich Meister Breyer geschlagen wegen der unbestechlichen Folge 5.d4-d5 a2-a1D 6.d5-d6 Da1-f6! 7.De6-d5 Ta8-d8 8.d6-d7 Df6-e7 und der Vorwärtsdrang der weißen Bauern wäre gestoppt worden.


Erstveröffentlichung am 12. Juni 2001

21. März 2014





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