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SCHACH-SPHINX/05061: Spindel aller Schicksale (SB)


Die elende Quälerei, dies Sinnen auf gute, nein! auf beste Züge - wer kennt sie nicht? Sie bestimmt große Phasen und Abschnitte der Entwicklung eines Schachspielers. Zumal im 19. Jahrhundert herrschte diese Denkrichtung vor. Noch angehaucht von der deutschen Romantik glaubte man an den großen Einfall, der einem Blitz gleich ins Dunkel der Gedanken fahren müsse und so die Mattkombination grell aufleuchten ließe. Ein strikter Gegner der Idee dieser begnadeten Einfälle und Eingebungen war Wilhelm Steinitz. Vom ersten Zuge an auf Matt zu spielen, wurde ihm im allmählichen Reifungs- und Emanzipationsprozeß so sehr zuwider, daß er die Rückorientierung auf ominöse Mächte, die hinter dem Denken vermutet wurden, auf menschliche Maße gesundschrumpfte, indem er eine Theorie entwickelte. Emanuel Lasker, der ihm später den Titel des Weltmeisters entreißen sollte, würdigte später das Werk seines Gegners: "Steinitz' Gedanke ging von dem Prinzip aus, daß ein Plan einen Grund haben müsse. Steinitz fühlte, daß ein Plan als eine Vorschrift oder Regel für ein erfolgreiches Handeln auf dem Schachbrett nicht den Grund haben könne, den man ihm seinerzeit zuschrieb, die Genialität des Spielers, den schöpferischen Einfall des Meisters, sondern einen anderen Grund, der nicht in den Personen noch im Geiste der Spieler, sondern in der Stellung auf dem Brette zu suchen war. Das fühlte er, und dies Gefühl führte ihn zu einer Theorie, die er der Schachwelt beschrieb." Schön und gut, doch statt die Geistesmächte zu negieren, schuf sich Steinitz ein über allem waltendes Gesetz. Wie tief irrte er doch; was schon die alten Griechen glaubten, daß nämlich über den Göttern noch das Gesetz - Moira - throne, darin verfing sich sein Verstand. Das Brett, so nannte er die Spindel aller Schicksale! Der FIDE-Weltmeister Anatoli Karpow hingegen und Protagonist im heutigen Rätsel der Sphinx ist viel zu sehr Pragmatiker, als sich sein Denken von Stellungen diktieren zu lassen: Er sucht nicht den besten Zug darin, nein, er schafft ihn! Wie öffnete er die Gasse, Wanderer, zum schwarzen König?



SCHACH-SPHINX/05061: Spindel aller Schicksale (SB)

Karpow - Larsen
Tilburg 1982

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Ein stilles Opfer krönte die Partie von Meister Ftacnik. Brillant durchdacht zog er also 1.De4-h4! Dg6xd3 2.Tb1-b3! Er vermied auch die Ungenauigkeit 2.e3-e4?!, was nach 2...Tf8-e8 3.Dh4xh7+ Kg8-f8 den Sieg noch in weite Ferne gerückt hätte. Nach 2.Tb1-b3! hätte der Damenrückzug 2...Dd3-g6 3.e3-e4 Tf8-e8 4.Tb3-g3 Sd7-f8 5.Tg3xg6+ f7xg6 6.e4-e5 nebst 7.Sd2-e4 leicht gewonnen. Aber auch der von Meister Ree gewählte Zug 2...Dd3-c2 war kaum besser: 3.e3-e4 Tf8-e8 4.Dh4-g5+! und Meister Ree gab sich resignierend geschlagen, denn nach 4...Kg8-h8 5.Th1xh7+! oder 4...Kg8-f8 5.Th1xh7 wäre das Matt nicht abzuwehren gewesen.


Erstveröffentlichung am 14. Juni 2001

27. März 2014





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