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SCHACH-SPHINX/05348: Akademischer Pyrrhussieg (SB)


"Ein Kampf um die Weltmeisterschaft kostet dich ein Jahr deines Lebens", hatte der ehemalige Champion Michail Botwinnik in Erinnerung an seine mehrfachen Titelkämpfe gesagt und dabei insbesondere an das Jahr 1951 gedacht, als er seine Schachkrone nur mit penibelster Gratwanderung gegen seinen Rivalen David Bronstein behaupten konnte. Auch Bronstein wurde von diesem Geistesringen schwer mitgenommen. Im Gegensatz zu Botwinnik bewahrte er sich jedoch seine Lebensfreude; er verdüsterte nicht, wurde auch im Alter nicht melancholisch und schwermütig, und schon gar nicht fühlte er gelinden Haß in sich aufsteigen beim Betrachten des Weges, den das Schach in der modernen Zeit genommen hat. Bronstein, so sagten damals viele, sei der moralische Sieger dieses Wettkampfes gewesen, Botwinnik habe dagegen nur einen akademischen Pyrrhussieg errungen. Geschichtsfälschung soll an dieser Stelle jedoch nicht betrieben werden. Botwinniks Beitrag zur Entwicklung des Schachgedankens war unschätzbar wertvoll. Nun jedoch die Zeiger der Geschichtsuhr wieder nach vorne gerückt auf das Jahr 1993. Bronstein hat zwar einige graue Haare mehr bekommen, aber seiner geistigen Elastizität tut das keinen Abbruch. Außerdem traf er im heutigen Rätsel der Sphinx auf einen Schachsenioren gleich ihm, nämlich auf Boris Spassky, der sich rühmen darf, Weltmeister gewesen zu sein. Jedenfalls spielte er mit den schwarzen Steinen gegen Bronstein eine Blitzpartie und mußte sich mehr und mehr über den Löffel barbieren lassen. Bronsteins Hand zog zwar langsamer, dafür waren seine Einfälle jedoch um so vernichtender. Der schwarze König war dank mehrerer Opfer nackt und bloß in die Brettmitte getrieben worden. Nur ein Bewacher stand ihm noch zur Seite, aber nicht mehr lange. Den Weg der Ablenkung herauszufinden ist, Wanderer, deine Aufgabe.



SCHACH-SPHINX/05348: Akademischer Pyrrhussieg (SB)

Bronstein - Spassky
Dortmund 1993

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Die schwarze Schwerfigurenwalze auf dem Damenflügel beunruhigte Romanischin sehr, aber ein grandioser Einfall half ihm, alle Sorgen in Wohlgefallen aufzulösen. Dazu mußte er mit 1.Dd5-d8+! seine Dame opfern, aber nach 1...Tb8xd8 2.Td1xd8+ Lg7-f8 3.Le3-g5! konnte er das Remis glatterdings forcieren. Er hatte sich nur davor hüten müssen, nicht 3.Le3-h6? zu ziehen, denn nach 3...Ta6-a8! wäre der Traum von einem Matt zerstoben gewesen. Nach 3.Le3-g5! hingegen durfte nunmehr Lebovic keinem Größenwahn zum Opfer fallen und womöglich 3...Ta6-a8? ziehen, weil nach 4.Lg5-f6! Sieg und Matt an Romanischin fallen würden. Aber Lebovic sah klar und spielte 3...Lc6-d7 und ließ sich mit 4.Th1-h8+! - 4.Lg5-e7? Ld7-e6! - 4...Kg8xh8 5.Td8xf8+ Kh8-g7 6.Tf8xf7+ Kg7-h8 7.Tf7-f8+ ins Dauerschach remisieren.


Erstveröffentlichung am 03. Februar 2002

08. Januar 2015





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