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SCHACH-SPHINX/05366: Tricks und kleine Gaunereien (SB)


Alle Arten von Tricks und kleinen Gaunereien sind innerhalb des Rahmens sittlichen Anstandes erlaubt, um seinen Gegner am Brett zu überlisten. Das Reservoir an pychologischer Kriegführung wächst von Turnier zu Turnier. Man möchte fast meinen, daß die Spieler mehr mit dem Austüfteln solcher Finessen beschäftigt sind als mit der Arbeit am Analysebrett. Sinn und Zweck dieser Verwirr- und Ablenkungsstrategie ist das In-Reaktion-Bringen des anderen, denn soviel weiß auch der größte Einfaltspinsel, daß ein Gegner, der mit einer Irritation zu kämpfen hat, schon zur Hälfte besiegt ist. Wissenschaftlich könnte man die Erklärung hinterherschicken, daß eine gestörte Aufmerksamkeit vorrangige Ziele aus den Augen verliert und sich zwanghaft in Nebensächlichkeiten verrennt. Wer kennt dies nicht aus dem Alltag: Ein Blick zur Seite im falschen Augenblick und schon stolpert man über die Teppichkante, mit der man Jahr und Tag nie Probleme gehabt hatte. Niemand kann zwei Dinge auf einmal tun - so lautet die nüchterne Quintessenz. Instinktiv weiß das auch jeder Schachspieler und so lauert er darauf, den Gegner in eben diese Bewußtseinslücke zu locken. Um die Aufmerksamkeit des anderen zu bannen, ist vieles ausgeklügelt worden, zum Beispiel die Sache mit dem Partieformular. Jeder Spieler schreibt während der Partie seine Züge und die des Gegners auf einem eigens angefertigen Notationsblatt auf. Wer glaubt, daß nur niedrige Geisteskaliber auf solche Schliche aus wären, der irrt, wie er menschlicher nicht irren könnte, der hat den englischen Großmeister Anthony Miles noch nie gesehen, wenn er betulich seinen nächsten Zug dem Papier anvertraut, obwohl der andere seinen Zug noch gar nicht gemacht hat. Dann erhebt sich Miles, nimmt seine Armbanduhr ab und verdeckt mit ihr genau die Stelle auf dem Formular, wo sein beabsichtigter Zug schon vorab notiert ist. Nervorsität befällt seinen Gegner, denn offenbar, so die Befürchtung, scheint Miles seinen Plan erraten zu haben, und da der Mensch nichts lieber tut, als genau das Gegenteil von dem, was der andere von ihm erwartet, befindet er sich auch schon im allerschönsten inneren Zwiespalt. Wer weiß, vielleicht zog Meister Kovatly in seiner Partie gegen den Amerikaner Seirawan nur deshalb den falschen Zug 1...Kh7-h8?, weil er zuvor mit einem ähnlichen Trick ausgehebelt worden war. Also, Wanderer, es gilt, zwei Fragen im heutigen Rätsel der Sphinx zu lösen: Weshalb war 1...Kh7-h8? ein Fehler und was hätte Meister Kovatly statt dessen spielen müssen, um das Remis zu halten?



SCHACH-SPHINX/05366: Tricks und kleine Gaunereien (SB)

Seirawan - Kovatly
Moskau 1982

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Meister Sheljandinow mußte nicht lange leiden. Sein Kontrahent Wyschmanawin zog nämlich 1...Db5xf1+! und da 2.Kg1xf1 Sf5-g3++ 3.Kf1- e1 Tf5-f1# mattgegangen wäre, gab Weiß gleich nach dem schönen Damenopfer auf.


Erstveröffentlichung am 20. Februar 2002

26. Januar 2015





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