Schattenblick → INFOPOOL → SCHACH UND SPIELE → SCHACH


SCHACH-SPHINX/05422: Popanz des Bösen (SB)


Der Versuch hoher Würdenträger der Kirche, das Schachspiel im frühen Mittelalter zu einem Sündenpfuhl zu erklären und es damit in umfassender Weise einer Ächtung zu unterwerfen, hatte seine Wurzeln sicherlich auch in der Tatsache, daß das Schachspiel von arabischen Ländern ausgehend in die europäischen Wohnstuben gekommen war. Bedenkt man ferner, daß das Heilige Land seinerzeit unter dem grünen Banner des Propheten stand, und daß Mohammed in der Verballhornung von "Mahomed" zum Teufel hochstilisiert wurde, so nehmen die Beweggründe des Klerus allmählich Konturen an. Vor dem Hintergrund der Kreuzzüge mußte natürlich alles, was in irgendeiner Weise auf arabische Ursprünge hinwies, auf den Index der Verteufelung gesetzt werden. Doch viel zu stark hatte sich schon damals das Schachspiel ins Bewußtsein der Zeit eingenistet, als daß es wieder daraus entfernt werden konnte. Trotzdem war der kirchliche Vorwurf, den Ursprung des Bösen einer bestimmten Kultur zuzuschreiben, wegweisend und von exemplarischer Deutlichkeit gewesen. Dieser Mechanismus der Bezichtigung wurde später auf den rationalen Humanismus und seiner Hervorhebung von Begriffen wie Vernunft, Ethik oder Fortschritt übertragen. Durch diese Legitimierung wurde ein neuer Kult geschaffen, geschliffen und zu einem dauerhaften Herrschaftsinstrument weiterentwickelt. Der Popanz des Bösen ist keine Erfindung von Hexen, Häretikern oder Glaubensheuchlern, wie gern behauptet wurde, sondern gehört vielmehr zur Bezichtungsmechanik jedweder herrschaftsorientierten Tradition. Die Vorwandslage, zur Ausrottung des Bösen beizutragen, war immer nur das Schwert in der Hand des Eroberers. Im heutigen Rätsel der Sphinx war es Meister Grünfeld gewesen, der mit den weißen Steinen als Eroberer auftrat. Grünfeld rechnete damit, daß er nach 1...Ld6xe5? 2.Lb2xe5 Df6xe5 3.f3xe4 De5xa1 4.Sb1-c3 eine gewonnene Stellung bekommen würde. Was auch gestimmt hätte, aber nur wenn Meister Torre dem "Bösen" nicht auf den Leim gegangen wäre. Also, Wanderer, was zog Meister Torre wirklich und wie gewann er damit die Partie?



SCHACH-SPHINX/05422: Popanz des Bösen (SB)

Grünfeld - Torre
Baden-Baden 1925

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Der amerikanische Meister Arthur Denker hatte zu kurz gedacht, als er 1.Sc5xb7?! zog, denn nach 1...Tg8xg2+!! 2.Kg1xg2 d5-d4+ 3.Kg1-f1 Dc6- h1+ 4.Kf1-e2 Dh1-e4+ 5.Ke2-f1 De4-h1+ endete die Partie wegen Dauerschachs im Remis.


Erstveröffentlichung am 14. April 2002

23. März 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang