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SCHACH-SPHINX/05520: Erz der Furchtlosigkeit (SB)


Welchen Großmeister man auch nimmt, und ob er nun als Wunderkind, als engagierter Autodidakt oder unter der fachlichen Anleitung eines Lehrers mit der schachlichen Karriere begonnen hat, zähes Ringen, viele Wunden der Enttäuschung und immer wieder Verzicht auf viele Annehmlichkeiten waren der Preis, den er dafür entrichten mußte, um schließlich an der Spitze mitmischen zu können. Talent ist gut, Fleiß noch immer, oder wie es der preußische General und Militärschriftsteller Karl von Clausenitz (1780-1831) einmal in einem Brief an seine Verlobte schrieb: " ... denn in dem Kampf des Lebens, in dem ich nun schon 16 Jahre ringe, habe ich wenigstens gelernt, furchtlos allein zu stehen." Diese Furchtlosigkeit könnte durchaus als edles Attribut des Schachspiels begriffen werden. Es ist dies der Umgang mit den eigenen Unzulänglichkeiten - verhaspelnde Gedanken, die Enge der Rechenwege und Blickwinkel, das Vergessen, die psychischen und physischen Einschränkungen. In der alten Schachsprache sagte man dazu, erst wenn man all dies überwunden hat, ließe sich eine Partie aus einem Guß spielen. Das ist durchaus alchemistisch gemeint gewesen. Den schnöden Stoff der Schachmaterie zu wandeln in ein geistiges Moment; einen Brand der Schmiede zu entfachen, worin all die Schlacke und das Blei zum unvergänglichen Gold transferiert wird, eben zu dieser einen Partie, zu diesem Endpunkt nicht wiederkehrender Leidverstrickung. Auch Artur Schopenhauer brachte es in diesem Sinne zu einem Entschluß: "Wenn ein Gott diese Welt gemacht hat, so möchte ich nicht der Gott sein. Ihr Jammer würde mir das Herz zerreißen." Auch die Sorglosigkeit unseres Schachfreundes Grund war herzzerrreißend im heutigen Rätsel der Sphinx, als er wie von Sinnen zuletzt 1...e5xd4 gezogen und damit seinen Untergang besiegelt hatte. Wie traf ihn das Ende, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/05520: Erz der Furchtlosigkeit (SB)

Bezold - Grund
Dresden 1995

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Der ungarische Meister Rudolf Charousek erwiderte darauf lächelnd und seine Antwort ist seitdem zu einem geflügelten Wort unter Schachspielern geworden: "So, dann empfangen sie dieses Schach!" Und tatsächlich, nach 86...Dc3-e1+! war die Partie patt und remis.


Erstveröffentlichung am 20. Juli 2002

29. Juni 2015


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