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SCHACH-SPHINX/05542: Sklavische Sisyphusarbeit (SB)


Sekundant zu sein, ist eine fast sklavische Sisyphusarbeit. Nächtelang hocken sie über problematische Stellungen, zermartern sich das Gehirn nach Remis- oder Siegeskombinationen, leiden tiefer, inniger, aufopferungsvoller als der Kämpfe am Brett. Aber schon Monate vorher geht das schlaflose Wachen los. Der Variantenkoffer muß gepackt werden. Tausende von Bücher werden durchgelesen, Abertausende Stellungen bis ins Mark erforscht, und dann beginnt erst die richtige Arbeit: die Suche nach der tückischen Verbesserung. Nerven aus Stahl, wer die nicht hat, braucht gar nicht erst anzutreten. Fast möchte man meinen, nicht der Weltmeister und sein Herausforderer bestreiten das Duell. Im Hintergrund sind es dann mehr oder weniger die Sekundanten, die die eigentliche Schlacht schlagen. Und wenn der eigene Mann aus dem Remisgeschaukel nicht herauskommt, schließlich schläft das andere Team ebenfalls nicht, heißt es, nochmal alles von vorne. Der Bedarf an Kalorien wird nebenher heruntergeschlungen. Überhaupt stehen alle Bedürfnisse hintenan. Der Kopf raucht, das Herz macht einen Überschlag. Jeder Nerv im Leib sehnt sich nach Ruhe, doch während der Kandidat seelenvoll im Bette seinen Träumen von Sieg und Krone nachjagt, schlagen sich die wackeren Recken wieder eine Nacht um die Ohren. Aufs Siegertreppchen steigt dann, auf dem Rücken seiner Vasallen, der "rechtmäßige" Regent des Königlichen Spiels. Da hatte es Michail Tal im heutigen Rätsel der Sphinx wesentlich leichter. Bei seinem Simultanmatch in Stuttgart 1958 mußte er "nur" gegen eine Schar von Novizen streiten, und alles lief wie am Schnürchen. Sein unbekannter Kontrahent hatte zuletzt 1...Th8xh1 gezogen. Glaubst du, Wanderer, daß Tal einfach 2.Td1xh1 zog?



SCHACH-SPHINX/05542: Sklavische Sisyphusarbeit (SB)

Tal - N.N.
Stuttgart 1958

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Bobby Fischer zog nach 1...De4-c2+ 2.De3-d2 raffinierterweise 2...Dc2- b3! Nun hätte der Läuferzug 3.Lc1-b2 wegen 3...Db3-f3+ 4.Ke2-e1 Df3- h1+ 5.Ke1-e2 Lf5-d3+ 6.Ke2-e3 Dh1-e4# nichts genützt, also versuchte es Boris Spassky mit 3.Dd2-d4. Abbruchstellung. Am nächsten Tag öffnete Schiedsrichter Lothar Schmid das Kuvert und führte Fischers Antwortzug aus: 3...Lf5-d3+! Spassky legte daraufhin seinen König um und ging, ehe Fischer, um eine Viertelstunde verspätet, erschien und obligatorisch nachfragte, ob Spassky die Partie aufgegeben habe. In der Tat, nach 4.Ke2-e1 Db3xb4+ oder 4.Ke2-e3 Ld3-e4+! 5.Ke3xe4 Db3-f3# wäre die Partie ohnehin aus gewesen.


Erstveröffentlichung am 10. August 2002

21. Juli 2015


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