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SCHACH-SPHINX/05549: Immergrün im Lorbeerkranze (SB)


Im frühen 18. Jahrhundert hatte Spanien seine kurzzeitig führende Rolle im europäischen Schach längst wieder eingebüßt. Rußland schlief noch unter seiner Zarenregierung, und in Deutschland herrschte erstickend die Denkart der Kleinstaaterei vor. In Kunst und Kultur sollte erst im folgenden Jahrhundert ein Aufbäumen gegen die politischen und moralischen Ketten einsetzen. Nur in Italien, Frankreich und damals gerade erblühend auch in England löste man sich vom geistlosen Schach des Figurengeschiebes und entwickelte neue Formen des Begreifens. In Neapel stand eine Schachhochburg, und ebenso gab es im süditalienischen Salerno einen wahren Enthusiasten der Kunst: Scipione del Grotto. Über ihn wird erzählt, er habe in einem Zimmer 14 Bretter aufgestellt, auf denen er ein und dasselbe Spiel in zig Varianten und Abzweigungen zugleich studierte und ergründete. Seine Arbeiten trugen wesentlich dazu bei, in Italien aus dem Schachspiel eine echte Denkdisziplin zu machen. Wie sehr deutsches Wesen und deutscher Geist es seinerzeit an Ernsthaftigkeit beim Schachspiel vermissen ließen, wird aus einem Brief der Dichtermutter Goethes, Catharina Elisabeth, deutlich, der am 16. April 1777 an Rat Crespel adressiert war: "... und ich haben jetzt ein groß gaudium am Schachspiel, lachen was rechts über den Matzbumbes von König, den jeder laffe Schach machen kan." Erst das 19. Jahrhundert sollte solchen Späßchen ein würdiges Ende bereiten. Das heutige Rätsel der Sphinx, entnommen aus der Begegnung Anderssens gegen Zukertort, Barmen 1869, später von Steinitz als "Immergrün im Lorbeerkranze" des berühmten deutschen Meisters bezeichnet, gibt einen Einblick in die rasche Entwicklung, die das Schachspiel binnen weniger Jahrzehnte in Deutschland genommen hat. In der Diagrammstellung kündigte Anderssen ein Matt in fünf Zügen an. Kannst du es finden, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/05549: Immergrün im Lorbeerkranze (SB)

Anderssen - Zukertort
Barmen 1869

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Mit vernichtender Konsequenz verdichtete Alexander Aljechin die Vorteile seiner Stellung zu einem Sturm. Mit 1...Tf4xf3! brach der allesversengende Blitz aus der dunklen Gewitterwolke hervor. Stahlberg gab betäubtermaßen sofort gab. Zu retten war ohnehin nichts mehr, wie die folgenden Varianten beweisen: 2.Tf2xf3 Dg5xe3 3.Tf3xe3 Tf8xf1# oder 2.De3xg5 Tf3xf2 3.Se1-f3 h6xg5 mit Turmverlust.


Erstveröffentlichung am 17. August 2002

28. Juli 2015


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