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SCHACH-SPHINX/05630: Kein Terrain für den Teufel (SB)


Kann ein Gottesmann auf dem Schachbrett dem Teufel begegnen? Das ist keine rhetorische Frage. Nicht wenige Anhänger des Kreuzes fanden im Schachspiel durchaus alle 12 Gebote verwirklicht. Unter der Soutane schlägt auch ein menschliches Herz, dem irdischen Vergnügen nicht feind, sofern es sich mit dem jenseitigen Versprechen in Einklang bringen läßt. Man kann sich allen Ernstes die Frage stellen: Wenn nun der Leibhaftige Schach spielen würde durch die Hand eines Menschen, welche Eröffnung würde er wohl wählen? Die Spanische Partie ist mehr oder weniger heiliggesprochen, trägt sie doch, zumindest im englischsprachigen Raum, den Namen des Priester Ruy Lopez. Italienisch, das klingt nach Rom und Papsttum und dürfte gewiß nicht das Gefallen des wahrhaft Bösen finden. Schottisch klingt zu bigott, Ponziani zu salbadern, und überhaupt läßt sich der Teufel mit den weißen Steinen wohl kaum zu einem ersten Zug beschwatzen. Die List ist bekanntlich etwas Lauerndes. Also die schwarzen Steine. Die Farbe spräche ihm schon eher an, heißt es doch, seine Ambitionen seien so dunkel wie die Nacht. Doch welche Auswahl findet er hier? Aus Indien Stammendes dürfte ihn kaum reizen. Zuviele Götter sind eines Teufels Tod. Aber wie sieht es mit Sizilianisch aus? Kreuzbrav, dies Volk, nein danke, wird der Teufel denken und der französischen Seite sich zuwenden. Dies trifft seinen Geschmack schon besser. Unter der Perücke der Hoffart ist viel Böses von dort über die Welt gekommen. Aber nein, der Teufel schreckt angewidert zurück. Sogar ein Gegenpapstum wurde im Frankenreich ersonnen. Je tiefer man in die Frage hineindringt, desto klarer versteht man, warum die Jesusjünger das Schachspiel so hoch schätzen. Wohin man blickt, alles atmet Heiligkeit. Da ist kein Platz für die kleinste Teufelei. Hier darf der Mensch noch unter seinesgleichen schachern, ohne vom Fürsten der Welt behelligt zu werden. Was wunder, daß soviele Gottesmänner im Schachspiel ein seligmachendes Geschenk sehen. Im heutigen Rätsel der Sphinx besaß der Nachziehende zwar einen gottesfürchtigen Namen - Meister Gotthilf -, aber sein Kontrahent Bogoljubow kannte sich in religiösen Fragen nicht minder gut aus, und so ließ er sich vom letzten Zug 1...Td6-g6 natürlich nicht in Versuchung bringen und fand die richtige Seelenarznei, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/05630: Kein Terrain für den Teufel (SB)

Bogoljubow - Gotthilf
Moskau 1925

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
1.Te5-e6! besiegte den Zufall, denn nun durfte 1...f7xe6 nicht geschehen wegen 2.f6-f7+ Kg8-h8 3.Lg1xd4+ mit Damenverlust. Das war der erste Streich. Nummer 2 kam sogleich, als Meister Polewoi 1...Db6- c5 zog, mit 2.Dg4-h4! - natürlich nicht das selbstzerstörerische 2.Lg1xd4? Dc5-c4 3.Tf1-e1 Sd7xf6! Nach dem korrekten 2.Dg4-h4! ging alles wie am Schnürchen, so leicht, daß man fast schmunzeln möchte: 2...h7-h5 3.Sg5xf7! Kg8xf7 4.Te6-e7+! Kf7-g8 - 4...Lf8xe7 5.f6xe7+ Kf7- e8 6.e7xd8D+ Ta8xd8 7.Lg1xd4 Dc5-e7 8.Tf1-e1 - 5.Dh4-g3 Dc5xc2 6.Tf1- f2 Dc2-b1 7.Dg3-b3+! und Schwarz gab auf, denn nach 7...Kg8-h8 8.Db3- f7 g6-g5 9.Df7xh5+ Kh8-g8 10.Dh5xg5+ Kg8-f8 hätte ihm 11.Tf2-f4! den Todesstoß versetzt.


Erstveröffentlichung am 05. November 2002

17. Oktober 2015


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