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SCHACH-SPHINX/05696: Mut zur eigenen Fasson (SB)


Schimpf und Schande fürchtend hatte der amerikanische Großmeister Walter Browne das Turnier in Lone Pine 1980 verlassen. Die Stellung, die er auf dem Brett zurückließ, war schrecklich anzusehen. Die weißen Steine - wie Blätter vom Herbstwind zerstreut. Schlimmer wog jedoch etwas anderes. Niederlagen hatte der Amerikaner schon viele einstecken müssen. Sein rabiat angreifender Stil fand nicht immer die besten Fortsetzungen. Oft ging der Sturm in ein laues Windchen über, ehe er verstummte. Aber gegen den jüngeren, gerade einmal 16jährigen Noel Benjamin zu verlieren, das überstieg offenbar die Kante seiner Mannhaftigkeit. Wortlos ging er und sprach auch später nicht wieder über diese kopflose Flucht. Überhaupt müssen sich auch die Großen unter den Schachmeistern nachsagen lassen, daß sie lieber das Feld räumen, als ihre Niederlage einzugestehen. So verstieß es wohl gegen die kubanische Ehre von José Capablanca, seinem Erzrivalen Alexander Aljechin bei seiner Niederlage auf dem AVRO-Turnier 1938 in Holland ins Auge blicken zu müssen. Er verschwand durch die Hintertür. Und auch der feine Brite Howard Staunton nahm Reißaus, als er beim Brüsseler Match gegen von der Lasa überspielt war. Man möchte meinen, der Mut zur eigenen Fasson wird zuweilen in Schachkreisen äußerst klein geschrieben. Ein Wort von Goethe dazu: "Ich liebe mir den heitern Mann, am meisten unter meinen Gästen: Wer sich nicht selbst zum besten haben kann, der ist gewiß nicht von den Besten." Bestens spielte dagegen der deutsche Meister Ludwig Engels im heutigen Rätsel der Sphinx. Mit den schwarzen Steinen hatte er sich etwas Feines ausgedacht, um dem weißen König das Fürchten zu lehren. Also, Wanderer, was hatte Engels im Sinn?



SCHACH-SPHINX/05696: Mut zur eigenen Fasson (SB)

Helling - Engels
Dresden 1936

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Der wunde Punkt der weißen Stellung - ihr eingesargter König. Und Meister Lein ließ sich nicht zweimal bitten und schlug mittendrein mit 1...Dh7xh4!! Brillant, dies Damenopfer und so zwingend, denn nach 2.g3xh4 Th8xh4 mußte sich sein Kontrahent Pontalejew schon zu 3.Te1-e5 bequemen, da 3.c4xd5 Ld6xh2+ 4.Kg1-f1 Lh2-d6 5.d5xe6+ Kd7-e7 6.Kf1-g1 Te8-h8 zum unabwendbaren Matt geführt hätte. Aber auch nach 3.Te1-e5 ließ sich der schwarze Angriff nicht bändigen, wie Meister Lein unter Beweis stellte: 3...Te8-h8 4.Kg1-f1 Th4xh2 5.Kf1-e1 Ld6xb4+ 6.Td3-c3 g4-g3! 7.Te5xd5+ Kd7-c8 8.Td5-c5 Kc8-b8 9.Dc2-b3 Th2xf2 und nachdem Weiß all sein Pulver verschossen hatte, gab er auf.


Erstveröffentlichung am 09. Januar 2003

26. Dezember 2015


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