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SCHACH-SPHINX/05863: Ideologen einer neuen Schule (SB)


Als Wilhelm Steinitz nach gründlicher Selbstkritik und dem Studium der zeitgenössischen Partien seiner Gegner zu der Einsicht kam, daß eine grundlegende Schachtheorie vonnöten sei, um das Königliche Spiel auf eine nächsthöhere Stufe der Strategie zu führen, da reagierte seine Umwelt zumeist ablehnend auf seine Forderungen. Die Phalanx seiner Befürworter machte es allerdings nicht besser. Sie schuf sich aus Steinitz' Lehren Leitbilder von pseudowissenschaftlichem Wert oder Unwert, je nachdem, wie man es betrachten will. Der russische Meister Michail Tschigorin erkannte früh das Übel dieser Verallgemeinerungssucht seitens der Ideologen der neuen Schule und schrieb 1893 dazu: "Allgemeine Überlegungen tauchen in der Schachliteratur erst neuerdings, etwa vor zehn Jahren, auf (das hing wahrscheinlich mit dem Entstehen der sogenannten neuen Schule zusammen, die von Steinitz angekündigt wurde) und haben sich aus ganz verständlichen Gründen eingebürgert: Mit einer solchen Rhetorik kann sich jedermann beschäftigen, der zur Dialektik einigermaßen fähig ist, wenn er auch nicht über ausreichende Kenntnisse in der Analyse verfügt. Man muß bemerken, daß viele der Personen, die sich für Anhänger dieser neuen Schule ansehen, die Prinzipien von Steinitz völlig falsch interpretieren." Tschigorin kritisches Erfassen der Lücken im Steinitzschen Theoriekonstrukt verhalf später der Russischen Schule zu vielen neuen Einsichten über das Wesen der Schachpartie. Doch wie schon damals vor der Jahrhundertwende waren es später die Ideologen der Russischen Schachschule, die aus einer entwickelbaren Idee ein starres Dogma schufen. Einem bahnbrechenden Vertreter dieser Ära ist das heutige Rätsel der Sphinx gewidmet: Andre Lilienthal. Im Interzonenturnier in Stockholm 1948 gelang ihm ein besonders schöner Sieg mit den weißen Steinen gegen den argentinischen Meister Miguel Najdorf. Also, Wanderer, findest du den schwächsten Punkt im Lager der schwarzen Streitmacht?



SCHACH-SPHINX/05863: Ideologen einer neuen Schule (SB)

Lilienthal - Najdorf
Stockholm 1948

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Nach 1...Tc8-c1! war Karpow verloren. 2.h2-h3 scheiterte an 2...Tc1xd1+ 3.Td3xd1 De3xb3 wegen der Einbuße eines Springers. Also spielte Karpow in seiner Not 2.Sa4-b2, aber nur, um nach 2...De3-f2 3.Sb1-d2 Tc1xd1+ 4.Sb2xd1 Te8-e1+ kurz vor dem Matt die Segel zu streichen.


Erstveröffentlichung am 24. Juni 2003

10. Juni 2016


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