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SCHACH-SPHINX/05914: Trunkener Ire in Monte Carlo (SB)


Ein wunderlicher Ire war James Mason. Sein Talent im Schachspiel war unbestreitbar, unbestreitbar jedoch war auch seine zweite Leidenschaft, die zum Trinken. Als Journalist verdiente er sich sein Brot, ehe er Irland den Rücken kehrte, ein Land, das seine Menschen nach Hungersnöten nicht mehr ernähren konnte. Nach Amerika emigrierte er, doch das Heimweh ließ ihn nicht los. So kehrte er nach Großbritannien zurück, ließ sich in England nieder, trank, spielte - manche nennen dies irisch. Auf dem Brett vollbrachte er zuweilen große Mannestaten, war kühn im Angriff, geistreich in der Verteidigung, allein sein Hang zur Flasche ließ ihn viele Partien unter Niveau verlieren. Eines zeichnete ihn jedoch aus, nämlich daß er nie gegen eine andere kapriziöse Erscheinung der Turnierwelt verlor. Auch David Janowski war an Leidenschaften gefesselt. Das Glücksspiel war der lange Faden, den er nicht zerreißen konnte, vielleicht auch nicht wollte. Die Trunkenheit Masons und die Spielversessenheit Janowskis, wie ging es an, daß die Flasche stets über Fortunas Laune siegte? In Monte Carlo 1902 führten beider Wege wieder zusammen, doch mußte Freundeshand aushelfen. Mason war nämlich zur Partie nicht erschienen, und alle Welt wußte, daß er irgendwo seinen Rausch ausschlief. Nun hatte Janowskis arrogante Art, auf andere herabzublicken, sie zu schmähen wegen simpler Kleinigkeiten, ihm nicht gerade Kameraden beschert. Die Rotte der von ihm Beleidigten machte sich also auf die Suche nach Mason, der das Werkzeug ihrer Rache werden sollte, und tatsächlich, auf einer Parkbank fanden sie den trunkenen Iren, schnarchend, den Geist in Wein und Schnaps aufgeweicht. Nur mit Mühe brachten sie ihn auf die Beine, weckten seine Lebensgeister insoweit, daß er mit einem Auge die Welt erkennen konnte, während das andere schlief. Trotzdem, Mason wurde rechtzeitig vor Ablauf der Bedenkzeit auf den Stuhl gepflanzt. Zwischen Einnicken und halbwachen Zuständen glückte ihm ein weiteres Mal ein Sieg über den maßlos eitlen Gecken Janowski, der wutentbrannt nach seiner Niederlage den Saal verließ. Mason hingegen sackte in sich zusammen, schlief und träumte von einem Irland, das nirgends auf der Weltkarte zu finden war. Also, Wanderer, nach dieser langen Erzählung auf zum heutigen Rätsel der Sphinx. Mason, halbwach, halbträumend fand mit den weißen Steinen eine famose Abwicklung in ein Endspiel, das so recht seinen Bundesgenossen gefiel!



SCHACH-SPHINX/05914: Trunkener Ire in Monte Carlo (SB)

Mason - Janowski
Monte Carlo 1902

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Der weiße Bauer rückte vor und trieb den Schwarzen aufs Schafott: 1.e5- e6! Td7xg7 2.Sf5xg7 Tg8xg7 Der Turm ließ es sich nicht nehmen, der schwarz' Partei den Rest zu geben: 3.Td1xd5! c6xd5 4.Tf1-f8+ Kc8-c7 5.Tf8-f7+


Erstveröffentlichung am 13. August 2003

31. Juli 2016


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