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SCHACH-SPHINX/06081: Der freche Kiebitz (SB)


Unter den Kiebitzen sind die vorlauten die schlimmsten: Wo die Höflichkeit des Staunens angezeigt wäre, da umschleichen sie die Meister an den Brettern, geben sich leutselig, machen wohlwollende Miene und wagen es schließlich gar, ihre Art von Empfehlungen einzustreuen in eine Diskussion, zu der sie weder eingeladen noch erwünscht sind. Die Geschichte der dreisten Kiebitze und Zaungäste reicht weit zurück. Wann der erste Kiebitz geschichtlich in Erscheinung trat, ist nicht überliefert. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, daß sein Auftritt Unmut erregte, vielleicht sogar Verdruß. Daß sich heutzutage Meister hinter Glasscheiben und Absperrungen vor der Zudringlichkeit der Besserwisser in Sicherheit bringen, ist nicht ohne Grund. 1834, als in London der Freundschaftswettkampf zwischen MacDonnell und Labourdonnais stattfand, hatte man den störenden Überfall mancher Kiebitze nicht bedacht, und so kam es zu unliebsamen Zwischenfällen. Der englische Meister und Schriftsteller Walker schrieb später dazu: "Ich erinnere mich persönlich, beobachtet zu haben, wie einer meiner Landsleute den Klubraum betrat und zu MacDonnell und Labourdonnais eilte, die gerade über einer verwickelten Stellung brüteten. Unser Freund reichte beiden zunächst die Hand, schob dann seinen Körper vor und beugte sich behäbig über das Brett, wobei er seine Hände mitten zwischen die Figuren stützte. Nachdem er ein Dutzend Fragen in der Art gestellt hatte wie 'Ist das heute ihr erstes Spiel?' und 'Dieser Turm scheint mir verteufelt schlecht zu stehen.' oder 'Wer ist eigentlich am Zuge?', erlaubte er gütigst, daß das Spiel seinen Fortgang nehmen dürfe, wofür ihn die beiden Meister (mit schweigender Wut) allem Anschein nach sehr verbunden waren." So kann es also kommen, Wanderer, wenn Inkompetenz sich zu Wort meldet. Im heutigen Rätsel der Sphinx fand der französische Kaffeehausmeister Labourdonnais mit den schwarzen Steinen auch ohne fremde Hilfe einen akkuraten Weg zum Sieg!



SCHACH-SPHINX/06081: Der freche Kiebitz (SB)

MacDonnell - Labourdonnais
London 1834

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Der weiße König stand arg schlecht, schlechter stand es um ihn, als Spasski 1...Sc6-b4! zog, denn Timman blieb wegen drohenden Matts nichts anderes übrig, als nach 2.a3xb4 a5xb4 3.Sc3-a4 Tb7-a7 4.Dh3-b3 c5-c4 5.Db3-a2 Tb8-a8 6.e4xf5 Ta7xa4 dem Matt durch Aufgabe zuvorzukommen.


Erstveröffentlichung am 24. Januar 2004

15. Januar 2017


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