Ei, ei, eine Partie zu verlieren, ist schon hart, aber eine gewonnene Stellung aufzugeben, schmerzt ungleich mehr. In der Hitze des Gefechts mag man komplizierte Rettungswege leicht übersehen. Wohl sollte man allerdings annehmen, daß dies im Fernschach nicht vorkommen dürfte. Und doch kann auch dort ein gewaltig aussehender Zug alle Widerstandskräfte lähmen, so daß man, statt mit mikroskopischer Linse nach der Widerlegung zu fahnden, kurzerhand und resigniert die Flinte ins Korn wirft. So geschehen zwischen dem sowjetischen Fernschachmeister Kraslinikow und seinem amerikanischen Gegenfüßler Beckman. Kraslinikow hatte den zweifelhaften Zug 1.Td1-d6?! verschickt. Kurze Zeit später erhielt er das Antwortschreiben, darin ihm Beckman zu seinem Sieg gratulierte. Kraslinikow war über die Maßen erstaunt. Sein Zug war eine Finte, ein Schuß ins Leere, wenn man die richtige Entgegnung fand. 1...Db6xb5 2.Le4-c6+ Db5xc6 3.Td6xc6 war sicherlich nicht empfehlenswert. Was den Amerikaner jedoch mutlos werden ließ, war die Folge 1...e7xd6 2.Le4-c6++ Ke8-f8 3.De4-e8# Doch der Schein trügt, Wanderer. Wie hätte der Amerikaner im heutigen Rätsel der Sphinx die Vorzeichen umkehren können?
Kraslinikow - Beckman
Fernpartie 1974
Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
1...Ta8-c8 war eine rechte Einladung für Kurt Richter, und so knöpfte
er sich den schwarzen König vor mit 2.Th4-h8+! Lg7xh8 3.Th1xh8+ Kg8xh8
4.Df1-h1+ Sf8-h7 5.Se4-f6 Kh8-g7 - nur mit 5...Dd8xf6 hätte Schwarz
die Partie in die Agonie verlängern können - 6.Dh1-h6+ Kg7-h8
7.Dh6xh7#
Erstveröffentlichung am 05. Mai 2004
29. April 2017
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