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SCHACH-SPHINX/06365: Marshallstab im Tornister (SB)


Im Streit der Meinungen über den Sinn oder Unsinn von Schachcomputern wird es wohl nie zu einer Annäherung kommen. Die Befürworter halten die Fahne hoch und schwören auf eine Weiterentwicklung der Schachtheorie, während ihre Gegner prophetisch den Niedergang der edlen Denkkunst heraufbeschwören. Es fällt schwer, Nutzen und Fluch redlich gegeneinander abzuwägen. So wie kein Ding auf Erden nur aus lauter Übeln besteht, besitzen Schachprogramme durchaus einen verwertbaren Zweck, sofern man sie vernünftig einsetzt, wozu allerdings nicht jeder Mensch die Begabung mitbringt. Michael Tal, der unvergeßliche Gipfelstürmer der Kombinationen, hatte eine recht plastische Vorstellung vom Wesen des Schachspiels: "Schach ist eine ganz spezifische Art von Schöpfertum, wobei der Schachspieler gleichzeitig Autor, Kritiker und Interpret ist. Im Schach reizen mich der intellektuelle Widerstreit, die Konkurrenz von Ideen und der Kampf der Charakter. Schach spiegelt das Wesen eines Menschen und dessen Eigentümlichkeiten wider. Ich glaube, daß eine Maschine niemals individuelle Charakterzüge und den Kampf von Ideen nachvollziehen kann. Um im Schach erfolgreich zu sein, muß man dieses Spiel lieben und Talent besitzen. Zum guten Schachpieler wird man geboren, ein großer Schachspieler wird man aber nur durch stetigen Fleiß. Ich bin Optimist und denke oft an die Worte Napoleons, daß ein guter Soldat den Marshallstab im Tornister trägt." Im heutigen Rätsel der Sphinx erwies sich Tal eines Napoleons durchaus würdig. Also, Wanderer auf allen Schlachtfeldern, mit welcher kleinen Kombination holte Tal als Anziehender den Marshallstab aus dem Tornister?



SCHACH-SPHINX/06365: Marshallstab im Tornister (SB)

Tal - Timman
Skopje 1972

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Bogoljubow hätte bei schärferem Auge sicherlich 1...e7-e5 gespielt, worauf die Stellung auf dem Brett nach 2.d5xe6 e.p. f7xe6 3.Ld1-a4+ Lc8-d7 durchaus in der Schwebe geblieben wäre. Nach der unüberlegten Rochade 1...0-0 stürzte die schwarze Position jedoch rasch in den Keller nach 2.g2-g4 Sf5-h6 3.Dd3-h3 Dc7-c4 4.Ld2xh6. Bogoljubow überzeugte sich davon, daß er nach 4...Dc4-e4+ 5.Ke1-f1 De4xh1 6.Ld1- f3 Lc8xg4 7.Dh3xg4 Dh1xh2 8.Lh6-f4 in Teufels Küche gekommen wäre und gab mit einem schelmischen Lächeln auf. Wie Tartakower nachträglich angab, hätte auch 2...Sf5-h4 3.Dd3-g3 Lg7-f6 4.g4-g5 Sh4-f5 5.Dg3-d3 Lf6-h8 6.h2-h4! nur ins Jammertal geführt.


Erstveröffentlichung am 1. November 2004

26. Oktober 2017


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