Das Schachspiel sei ein Spiegel der Gesellschaft, befand der Dominikanermönch Jacobus von Cessolis, und in diesem Sinne ein Abbild der göttlichen Ordnung auf Erden. Kein Wunder also, daß er in seinem Schach-Erbauungsbuch allen Figuren einen festen Platz im Heilsplan des Schöpfers zuordnete. Die Offiziere stellten das Regiment der herrschenden Schicht dar, und gebaut war diese Hierachie auf das Fundament der bürgerlichen Stände, die durch die Bauern repräsentiert wurden. Natürlich gab es auch weniger ehrenwerte, gar schimpfliche Berufsstände, die mit der Position des Randbauern bedacht wurden. Interessant ist nun, daß Jacobus dem Ärztestand eine besonders tragende Funktion in diesem Bauern-Pantheon zugedachte. Seine Erklärung, weshalb der Damenbauer die Ärzteschaft symbolisieren müsse, ist, aus dem mittelalterlichen Geistesleben heraus verstanden, recht naheliegend: "Damit man sieht, daß er Keuschheit besitzt. Wenn Ärzte nämlich Krankheiten von Königinnen und anderen Frauen zu heilen haben, ist es notwendig, daß sie sittenrein sind, wenn sie Verborgenes und Schamhaftes untersuchen." Nun wird nicht jeder Spieler, der mit dem Damenbauern zu eröffnen pflegt, dieses wissen. In Jacobus' Gedankenwelt spiegelte sich eben der mittelalterliche Versuch wider, die Hebammen aus dem Geschäft herauszudrängen. Im heutigen Rätsel der Sphinx zog Alexander Aljechin mit dem Damenbauern und hatte schließlich folgende Stellung herbeigeführt. Wer nun glaubt, daß sich der spätere Weltmeister mit der simplen Fortsetzung 1.De2-f3 begnügte, der irrt sehr. Also, Wanderer, welche elegante Siegeskombination fand Aljechin statt dessen?
Aljechin - Blümich
Dresden 1926
Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Die grandiose Opferkombination hob mit 1...Dg3-e1+!! an und hatte das
Ziel im Auge, den weißen Turm auf das Feld e1 zu locken. Der Zweck
heiligt sogar ein Damenopfer, denn nach 2.Td1xe1 f3-f2+ 3.De7xe4
f2xe1D+ 4.Kh1-g2 De1xd2+ unterband nur die Kapitulation Salwes das
Mattsetzen des weißen Königs. Zum Matt geführt hätte auch 2.Sh2-f1 Tf6-
h6+ 3.Kh1-g1 f3-f2+ 4.Td2xf2 Th6-h1# Eine der schönsten Partien
Rubinsteins.
Erstveröffentlichung am 8. März 2005
4. März 2018
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