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SCHACH-SPHINX/06513: Hüter mittelalterlicher Moralvorstellungen (SB)


In ihren Moralschriften waren Schachautoren in früheren Zeiten, also lange bevor mit der Suffragetten-Bewegung in England und Amerika die Frage der Gleichberechtigung und des Wahlrechts vom geduldigen Papier auf die Straße getragen wurde, immer auch Hüter einer moralisch- ethischen Weltordnung gewesen. Beides ging Hand in Hand: auf der einen Seite das Schachspiel mit seinem festen Regelwerk, auf der anderen ein gesellschaftliches Konzept, in dem jeder seinen Platz hatte, arm und reich, Mann und Frau. Insbesondere den Frauen wurde in diesen Schriften ein enger Verhaltenskodex aufgebührdet. So lesen wir im ersten deutschen Schachlehrbuch des Herzogs August von Braunschweig, der es 1616 unter dem Pseudonym Gustavus Selenus geschrieben hatte: "Die Weybsleute sindt im Hause in besserer Huth und sollen außer denselben nicht herumschweyfen, dieweyl sie sich dadurch Wildheyd verthun möchten." Es bedarf wohl keiner Erwähnung, daß Selenus sein Werk nicht für ein wißbegieriges und liberales Frauenauge verfaßt hatte. Er duldete nur eine einzige Dame im Schachspiel, und die bestand aus Holz, Metall oder Edelstein. Erst nach und nach setzten die Frauen ihre Emanzipation auch auf dem Schachbrett durch. Heutzutage überrascht es niemanden mehr, daß Großmeisterinnen selbst gekrönte Häupter in Schwierigkeiten bringen. Im heutigen Rätsel der Sphinx aus dem Damenzonenturnier 1982 in Bad Kissingen gelang der deutschen Spitzenspielerin Gisela Fischdick gegen ihre schwedische Kontrahentin Nyberg ein taktischer Sieg, als die Schwedin, statt mit 1...Dc6xa6 2.Ta8xa6 g5xf4 den Widerstand zu verlängern, mit 1...Dc6- e8? gewissermaßen moralisch kapitulierte. Also, Wanderer, wie beendete Gisela Fischdick das Leiden der schwarzen Stellung?



SCHACH-SPHINX/06513: Hüter mittelalterlicher Moralvorstellungen (SB)

Fischdick - Nyberg
Bad Kissingen 1982

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Seine maßlose Selbstliebe und sein beinah krankhaftes Gefühl der eigenen Überlegenheit kosteten David Janowski viele Partien. So war es für Emanuel Lasker, diesem verschmitzten Psychologen, ein leichtes, Janowski zu Fehlentscheidungen zu verführen. Nach 1.f3xg4?? f4-f3 2.Tg2-g3 f3xe2 war der polnische Meister um eine Figur ärmer, reicher jedoch um eine Verlustpartie.


Erstveröffentlichung am 27. März 2005

23. März 2018


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