SCHACH-SPHINX/06550: Nicht alles weiß der Sekundant (SB)

Eine seltsame Konstellation - 1993 in Buenos Aires. Da sitzen sich der Amerikaner Yasser Seirawan und der Wahlschweizer Viktor Kortschnoj am Brett gegenüber, jeder bemüht, seine Gedanken vor dem anderen abzuschirmen. Keine leichte Sache, zumindest für Kortschnoj, denn Seirawan, sein einstiger Sekundant in Titelkämpfen, kannte das Spiel von Viktor dem "Schrecklichen" nur allzu gut. Also sich vorsichtig und klug vortasten? Aber nein, ein Kortschnoj fürchtet weder Skorpione noch Geheimdienste. Mit den schwarzen Steinen wählte er also im heutigen Rätsel der Sphinx eine forsche Entgegnung, die Nimzoindische Verteidigung, und hatte auch eine kleine nette Neuerung vorbereitet. Schließlich darf man auch seinen Sekundanten nicht alles offenbaren. Einen scharfen Dolch sollte man für alle Eventualitäten parat haben. Seirawan beging mehrere positionelle Ungenauigkeiten, nichts Gravierendes, aber in einem Punkt machte er wirklich einen groben Fehler, vor den ihn die Erfahrung hätte warnen müssen, nämlich Kortschnoj freie Hand zu lassen beim Verwickeln der Stellung. Und der ließ sich nicht zweimal zum Tanz bitten, schickte seinen h-Bauern nach vorne, besetzte mit beiden Türmen die halboffene f-Linie, und als Seirawan schließlich ahnungslos hin und her lavierte, schlug er zu, der schreckliche, fürchterliche Kortschnoj, der auch mit seinerzeit 62 Jahren das Kombinieren beherrschte wie in seinen besten Kampftagen, Wanderer.

Seirawan - Kortschnoj
Buenos Aires 1993

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Auch Großmeistertitel schützen vor Irrtümern nicht. Nach 1...f7-f6? kassierte der slowakische Großmeister Stohl eine empfindliche Niederlage, und die Lacher waren diesmal auf der Seite des Internationalen Meisters Fahnenschmidt: 2.Te1xe5+!! f6xe5 3.Lg5-d8 Dc7- f7 4.Dd2-d6 b7-b6 5.Ld8-g5 und das Matt war nicht mehr zu verhindern, zum Beispiel 5...Lg7-f6 6.Dd6-d8+! Lf6xd8 7.Td1xd8#

Erstveröffentlichung am 3. Mai 2005

30. April 2018

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