Auf den Pupillen von Angriffsspielern spiegelt sich das Geschehen auf dem Schachbrett in einer leicht verzerrten Weise wider. Ihnen ist das Suchen nach kombinatorischen Finessen eine innere Notwendigkeit. Man muß nur immer wieder Angriffszüge machen, so ihre nebelverhangene Philosophie, und irgendwann und irgendwo wird das ersehnte Ziel schon zum Vorschein kommen. Sie wollen das Erwünschte herbeizwingen mit der Kraft ihrer Gedanken, doch die Gesetze der Schachpartie laufen nicht immer auf solch klarsichtigen Bahnen. Zuweilen versperren Ecken und Kanten die Sicht auf das Naheliegende, und dann zeigt sich, daß Ehrgeiz hin und wieder eine Tugend ist, gelegentlich freilich einem Laster nicht unähnlich sieht. Im heutigen Rätsel der Sphinx zog Weiß mit Hoffnung auf einen baldigen Angriff nunmehr 1.Te3-h3?, hübsch anzusehen und mächtig beeindruckend, allein, und darauf kommt es schlußendlich ja an, der Zug war nicht einwandfrei und gar zu widerlegen, Wanderer.
Müller - Wahls
Gladenbach 1997
Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Tigran Petrosjans Haare mochten ein wenig ergraut war, seine Einfälle
waren es jedenfalls nicht. Mit 1.d4-d5! öffnete er seinen Figuren die
Angriffsstraßen und obsiegte nach 1...Dc6xd5 2.Ld3xe4 f5xe4 3.Tb4-d4
Dd5-e6 4.Td4xe4! - die ungenügend bewachte schwarze Grundreihe machte
es möglich - 4...De6-g6 5.Te4-e7 Ld7-b5 6.Df2-f7+ Schwarz gab auf,
denn nach der Eroberung der siebten Reihe war die Partie für
Ljubojevic nicht mehr zu retten.
Erstveröffentlichung am 22. Januar 2006
21. Januar 2019
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