Wundergläubigkeit zeichnete das Spiel vieler Meister des 19. Jahrhunderts aus. Sie waren derart befangen von diesem Wahn, daß sie ohne hinlängliche Prüfung Figurenopfer brachten und davon ausgingen, daß irgendeine liebreizende Muse ihren Mut mit dem Geschenk einer geistreichen, unvorhersehbaren Kombination belohnen würde. Dem Schachverstand und aufklärerischem Willen solcher Spieler wie Siegbert Tarrasch und Wilhelm Steinitz war es dann zu verdanken, daß diese Art von Hoffen auf Hilfe von außen schachgeschichtlich gesehen aus den Turnierhallen verschwand. Heutzutage wird kaum ein Großmeister auf blauen Dunst hin eine Figur ins Geschäft stecken. Vorher wird er sich gewissenhaft davon überzeugen, daß er mindestens ein dynamisches Aquivalent für das geopferte Material erhält. Phantasiebegabung, Kombinationstalent sind dann nicht die Voraussetzungen, sondern lediglich die Begleitumstände für eine erfolgreich abgeschlossene Opferpartie. Im heutigen Rätsel der Sphinx hatte Großmeister Lubomir Ftacnik einen Läufer gegeben für einen begründeten Angriff auf den weißen unrochierten König. Nun brauchte er nur noch die Schlinge festzuziehen, Wanderer.
Ögaard - Ftacnik
Gjövik 1983
Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Wenn Preise ausgesetzt werden für schöne Partien, fühlt sich so
mancher Großmeister zum Kavalier berufen. Tony Miles wußte Schönheit
jedenfalls zu schätzen: 1.Tg5xf5! Df7xf5 2.Le2-c4+ Kg8-h8 3.Th1-h5 und
Schwarz gab auf. Wo immer seine Dame auch hinzieht, der König muß die
Zeche zahlen wegen der Mattdrohung 4.Th5xh7+ nebst 5.Dd1-h1+ usw.
Erstveröffentlichung am 22. Juni 2006
21. Juni 2019
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