Nach eigenen Worten lehnt Anatoli Karpow Opfer von Figuren oder Bauern, die "auf Position" gebracht werden, in aller Entschiedenheit ab. Für ihn ist das Schachbrett ein wissenschaftliches Labor, kein Ort für Spekulationen und schon gar nicht eine verrufene Spelunke, wo Kaffeehäusler und Abenteurer Schach spielen. Ein Blick in seine gesammelten Partien bestätigt seine Worte. In seiner langen Laufbahn hatte Karpow dessen ungeachtet sehr wohl in manchen Partien etwas "riskiert". Man erinnere sich da an seiner Tilburger Partie gegen Robert Hübner, wo Karpow, mit den weißen Steinen spielend, in eine kreuzbrave Caro-Kannsche Stellung plötzlich mit einem Läuferopfer hineinfuhr. Ganz so verwegen war das Opfer zwar nicht, doch bis in die letzte Wurzel hineinberechnen ließ es sich ebenfalls nicht. Für einen positionellen Stoiker wie Karpow fast schon ein Schelmenstück. Schließlich entstand im heutigen Rätsel der Sphinx eine Stellung, in der Hübner zuletzt 1...Sf6-d7 gezogen hatte. Was dann folgte, Wanderer, war Angriffsschach vom Feinsten.
Karpow - Hübner
Tilburg 1982
Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Bei seiner Rückkehr aus der Gedankendimension fand Weiß den
stichhaltigen Gewinnweg: 1.Tg5xg7! Dd7xg7 2.Le3xh6 Tf6xh6 3.Dh5xh6+
Lf5-h7 4.Dh6xc6 Dg7-g5 5.Dc6-h6 Dg5xh6 6.Th4xh6 Kh8-g7 7.Th6-e6 Lh7-b1
8.Te6xe5 und Schwarz gab das hoffnungslose Endspiel auf.
Erstveröffentlichung am 1. Juli 2006
30. Juni 2019
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