Einer der heftigsten Vorwürfe, die ein Schachspieler einem anderen machen kann, besteht darin, daß er sich mit seinem Gegner abgesprochen haben soll. Die Fairneß und Ehre verlangt, daß man den Kontrahenten nicht verschont, ihm also weder ein Remis schenkt noch eine Mattfolge absichtlich übersieht. So war denn auch die Anschuldigung von Bogoljubow, Aljechin habe beim Turnier in London 1922 mit Capablanca ein Kurzremis schon im Vorwege vereinbart, ein Angriff und echter Affront. Die Angelegenheit schlug seinerzeit hohe Wellen und sorgte schließlich dafür, daß Bogoljubow und Aljechin von da an ein angespanntes Verhältnis pflegten. Der Verdacht auf Absprachen dieser Art ist gar nicht einmal so selten in der Schachgeschichte. Die US-Legende Fischer hat den Sowjets beispielsweise immer wieder vorgehalten, in ihren gemeinsamen Partien selbst in vorteilhaften Stellungen ein Remis anzubieten, um so die Platzierung der Russen gegenüber nichtrussischen Spielern im Klassement nicht zu gefährden. Ob eine Partie tatsächlich bis zur letzten Möglichkeit ausgespielt oder eine Art Schonung gewährt wurde, läßt sich nicht immer exakt bestimmen. Anders ist es, wenn die Begegnung mit einem Sieg endet wie im heutigen Rätsel der Sphinx, wo Weiß die schwarze Verteidigungsstellung mit einem Opferreigen aufriß, Wanderer.
Wasjukow - Djurasevic
Belgrad 1961
Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Der schwarze König erwartete auf h8 sein Schicksal, wissend, daß er
nicht mehr entkommen konnte. Und tatsächlich, nach 1.Tf5-g5!! mußte
der Nachziehende wegen der Mattdrohung Sd6xf7 mit 1...Dg6xf6
antworten, worauf 2.De4-d4!! nichts anderes als die Kapitulation
erzwang.
27. September 2021
veröffentlicht in der Schattenblick-Druckausgabe Nr. 168 vom 2. Oktober 2021
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