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MELDUNG/676: Ahmet Öner zieht sich aus dem deutschem Boxgeschäft zurück (SB)



Promoter will nur noch in den USA und der Türkei veranstalten

Promoter Ahmet Öner will sich ab sofort gänzlich vom Boxgeschäft in Deutschland zurückziehen und künftig nur mehr in den USA und der Türkei veranstalten. Daß sich der Chef des Arena-Boxstalls die Gelegenheit nicht entgehen läßt, kräftig gegen die hiesige Konkurrenz nachzutreten, war zu erwarten. "Hiermit erkläre ich das Boxen in Deutschland offiziell für tot", assoziiert er seinen Abschied mit dem Gesundheitszustand des zum verstorbenen Patienten erklärten Boxsports. Wenngleich er mit seinen Ausfällen durchaus den Finger in die Wunde legt, schießt seine egozentrische Diagnose doch gehörig übers Ziel hinaus. Der Status quo des deutschen Boxens sei "irgendwo zwischen Insolvenzverschleppung und Leichenschändung" anzusiedeln, lästert der scheidende Promoter. "Es wird höchste Zeit, die Kiste zuzunageln und zu vergraben."

An Vitali und Wladimir Klitschko, die derzeit in Deutschland Großarenen füllen und die mit Abstand höchsten Quoten erzielen, läßt Öner kein gutes Haar: "Was die ukrainischen Brüder machen, ist doch auch Volksverarsche." Ihre nächsten Gegner Jean-Marc Mormeck und Dereck Chisora hätten keine Titelkämpfe verdient. Daß die Klitschkos gegen sie antreten, zeige nur, daß es ihnen nicht um sportlichen Wettkampf, sondern auch nur ums Geld gehe. Offenbar hat Öner bereits vergessen, daß sein Schwergewichtler Odlanier Solis im Kampf gegen Vitali Klitschko schon in der ersten Runde wegen einer schweren Knieverletzung aufgeben mußte. Wollte man die Behauptung belegen, daß die Ukrainer den stärksten Kontrahenten aus dem Weg gehen, müßte man sich schon der kaum zu beantwortenden Frage stellen, wer derzeit stärker als der Kubaner, David Haye oder Tomasz Adamek sein soll, die bekanntlich alle gegen die Klitschkos verloren haben.

Die Hauptschuld an der Misere sieht Öner indessen bei den "alteingesessenen Boxställen, die über Jahre gezielt das Publikum getäuscht" hätten. Besonders hart geht Öner mit seinem ehemaligen Boß und späteren Intimfeind Klaus-Peter Kohl ins Gericht, den er als den "Totengräber des deutschen Boxens" bezeichnet. Kohl habe wie Napoleon verbrannte Erde hinterlassen, damit seine Nachfolger das Feld nicht neu bestellen können. Universum sei vor ein paar Jahren noch der größte und einflußreichste Boxstall Europas gewesen und liege nun in Trümmern. Hätte Öner der Fairneß halber hinzugefügt, daß der nicht verlängerte Millionenvertrag mit dem ZDF der Dreh- und Angelpunkt des Verhängnisses war, löste sich die willkürliche Verknüpfung mit Kohls angeblichen Motiven in Luft auf.

Fortan will Ahmet Öner hauptsächlich von seinem Hauptwohnort Miami aus tätig werden: "Ich habe mit Yuriorkis Gamboa einen der besten und spektakulärsten Boxer der Welt, der in den USA super ankommt und mit dem ich dort viel Geld verdiene. Odlanier Solis wird auch zurückkommen und sein Comeback in den USA geben. Und Selcuk Aydin kann ich in Amerika oder der Türkei boxen lassen. Deutschland interessiert mich nicht mehr."

Natürlich steht es Ahmet Öner frei, sich jeden Nachweises zu enthalten, inwiefern sich sein eigenes Geschäftsgebaren grundsätzlich von dem seiner hiesigen Konkurrenten unterscheidet. Auch braucht er nicht eigens auf seine juristischen Probleme einzugehen, die ihn seinerzeit veranlaßten, den deutschen Wohnsitz aufzugeben oder zumindest zu meiden, da er im Falle einer weiteren begangenen Straftat keine Milde wie beim ersten Urteil zu erwarten hätte. Da er nun einmal im Glashaus mit Steinen wirft, sollte die Gegenfrage nach seinen eigenen Motiven gestattet sein.

Was die grundsätzliche Kritik am deutschen Boxsport oder besser dem internationalen Profiboxen betrifft, ist mit wilden Beschimpfungen und aus der Hüfte geschossenen Bezichtigungen niemandem gedient außer vielleicht der Absicht, sich damit in Szene zu setzen. Öner argumentiert mit dem Postulat, andere hätten die Szene abgewirtschaftet, weshalb er es vorziehe, fettere Weidegründe für sich und seine Boxer aufzusuchen. Das kann man als mehr oder minder gelungenen Versuch werten, sich zu Lasten anderer aufzuwerten und der Konkurrenz um die Fleischtöpfe Sporen zu geben. Fundierte Aufklärung über die Triebkräfte, Strukturen und Mechanismen des aktuellen Boxgeschäfts wird man hingegen in solchen Seitenhieben vergeblich suchen.

31. Dezember 2011