Schattenblick →INFOPOOL →SPORT → BOXEN

MELDUNG/839: Eddie Chambers versucht sein Glück im Cruisergewicht (SB)




Abschied von den Riesen - Fürs erste nur noch Gegner seiner Statur

Eddie Chambers, der für einen Schwergewichtler ungewöhnlich leicht ist, mußte seine physischen Nachteile stets mit technischen Qualitäten kompensieren. Wesentlich beweglicher als die Mehrzahl seiner Gegner kämpfte er sich im Kandidatenfeld nach oben, bis er im März 2010 als Herausforderer an Wladimir Klitschko scheiterte. Dennoch zählte er auch in der Folge zu den besten US-amerikanischen Boxern der Königsklasse und stellte sein Können unter anderem mit einem Sieg über den körperlich klar überlegenen Alexander Dimitrenko unter Beweis. Ein erneuter Griff nach dem Gürtel des Weltmeisters zeichnete sich für ihn ab, als die IBF einen Ausscheidungskampf gegen seinen Landsmann Tony Thompson anberaumte, dessen Sieger sich mit Klitschko messen sollte. Eine Trainingsverletzung zwang den in Philadelphia lebenden Chambers zur Absage, worauf Thompson kampflos zum Pflichtherausforderer erklärt wurde und dem Ukrainer kürzlich ein zweites Mal unterlag. Chambers mußte auch den nächsten geplanten Kampf, bei dem der weißrussische Exweltmeister Sergei Liachowitsch sein Gegner sein sollte, wegen einer Verletzung absagen.

Die lange finanzielle Durststrecke endete am 16. Juni im Prudential Center von New Jersey mit einem Kampf gegen Tomasz Adamek. Der in den USA lebende Pole konnte allerdings in seiner Wahlheimat New Jersey das Prestigeduell für sich entschieden. Viele Beobachter sahen den agilen US-Amerikaner knapp in Front, doch konnte Adamek mit Unterstützung der Punktrichter am Ende einen viel zu deutlichen Sieg feiern. Damit hatte Chambers 36 Auftritte gewonnen und drei verloren. Nach dieser umstrittenen Niederlage hat der 30jährige US-Amerikaner Konsequenzen gezogen und will sein Glück nun im Cruisergewicht versuchen. Da er vor dem Kampf gegen Adamek nur 91,6 kg auf die Waage gebracht hatte und damit nahezu das niedrigere Limit erreichte, ist der Wechsel in dieser Hinsicht unproblematisch und naheliegend.

Zwar bleibt das Schwergewicht die populärere und in der Spitze höher dotierte Klasse, doch haben sich angesichts der dort anhaltenden Stagnation die Verhältnisse verschoben. War das Cruisergewicht früher eine relativ wenig beachtete Durchgangsstation, so gehört sie heute zu den am stärksten besetzten und weithin beachteten Limits. Eddie Chambers wird im Schwergewicht kaum mehr Weltmeister werden und hat es dort durchweg mit Gegnern zu tun, die zehn bis zwanzig Kilo schwerer sind. Hingegen winkt ihm im Cruisergewicht die Chance, in absehbarer Zeit mit guten Aussichten um einen Titel zu kämpfen. Sein Wunschgegner ist dem Vernehmen nach Marco Huck aus dem Sauerland-Boxstall, der den Gürtel der WBO in seinem Besitz und bei einem Abstecher in Schwergewicht gegen den regulären WBA-Weltmeister Alexander Powetkin eine ausgesprochen gute Figur gemacht hat. Aber auch der Brite Ola Afolabi könnte ihn interessieren, gegen den Huck nur mit Mühe ein Unentschieden rettete.

Sobald Chambers die im Kampf gegen Adamek erlittene Verletzung am Oberarm auskuriert und die nachfolgende Physiotherapie absolviert hat, kann er das Vorhaben in Angriff nehmen, sich im Cruisergewicht umzutun. Ausprobieren möchte er diese Alternative auf jeden Fall, wobei er sich allerdings nicht über Aufbaukämpfe hocharbeiten will. Nach seinem Dafürhalten sollte sein guter Name genügen, um den einen oder andern hochklassigen Auftritt an Land zu ziehen. Nun kommt es natürlich darauf an, daß die Verbände mitspielen und ihn weit oben in den Ranglisten plazieren. Im Zweifelsfall müßte er sich doch zum Pflichtherausforderer durchboxen, was längere Zeit in Anspruch nehmen könnte.

Künftig wird er es mit Gegnern seiner Statur zu tun bekommen, die nicht von vornherein ihm gegenüber körperlich bevorteilt sind. Dadurch sieht er sich mit einer etwas anderen Problemlage konfrontiert, da es nun nicht mehr vordringlich darum geht, der schieren Wucht vergleichsweise langsamer Riesen etwas entgegenzusetzen. Fortan wird Chambers auf Kontrahenten treffen, die gleich schwer oder leichter sind, doch dafür womöglich noch mobiler agieren als er selbst. Sein großer Vorteil bei diesem Wechsel ist, daß er kaum Gewicht reduzieren muß und damit in ihm bekannten körperlichen Parametern kämpft. Nicht wenige Boxer sind daran gescheitert, daß sie durch Abkochen geschwächt antreten mußten oder tatsächlich durch erhebliche Gewichtsreduktion beweglicher geworden waren, aber ihre frühere Schlagwirkung nicht mehr entfalten konnten. Man darf gespannt sein, wie sich Eddie Chambers im Cruisergewicht behauptet, für das er allemal eine Bereicherung ist.

14. Juli 2012