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MELDUNG/878: Klitschkos rühren die Werbetrommel für ihre nächsten Auftritte (SB)




Vitali Klitschkos Tanz auf zwei Hochzeiten

Angesichts eines Herausforderers wie Manuel Charr, der bei ihrem Kampf am 8. September in Moskau als krasser Außenseiter gilt, pendelt Vitali Klitschko im Zuge der Werbung für seinen nächsten Auftritt zwangsläufig zwischen unerschütterlicher Zuversicht und obligatorischer Warnung vor dem Gegner. Der Gelsenkirchener sei jung, kräftig und sehr motiviert. Mit unbedingtem Willen zu siegen und einem Kämpferherz werde er eine Schlacht liefern, kündigt der Ukrainer ein hartes Stück Arbeit an. Charr werde angreifen und die Chance suchen, um den "wichtigsten Gürtel in den Händen zu haben, den Muhammad Ali, Lennox Lewis und Mike Tyson schon hatten".

Tatsächlich ist Charr vierzehn Jahre jünger und in 21 Kämpfen ungeschlagen, wobei er jedoch noch keinen Gegner der höchsten Kategorie vor den Fäusten hatte. Vitali Klitschko hingegen kann auf 44 Siege bei nur zwei Niederlagen zurückblicken. So kündigt der mittlerweile 41jährige, der sich derzeit in seinem Trainingslager im österreichischen Going vorbereitet, denn auch einen vorzeitigen Sieg an. Gemeinsam mit seinem Trainer Fritz Sdunek habe er den Herausforderer genau studiert und eine angemessene Strategie ausgearbeitet, die er natürlich nicht verraten werde. Körperlich sei Charr vielleicht etwas stärker, doch verrate seine Körpersprache einen selbstverliebten Boxer. "Ich bin schneller, erfahrener und setze ganz auf meine Technik", stellte Klitschko sein Licht nicht unter den Scheffel. "Meine Aufgabe ist es, der Beste zu sein. Deshalb werde ich mit ihm spielen, seine Fehler aufzeigen und sie bestrafen."

Sdunek, der in der Vergangenheit zwei Jahre mit Charr gearbeitet hat und ihn daher sehr gut kennt, pflichtet Klitschko mit seiner Einschätzung bei. Er rechne damit, daß der Herausforderer offensiv zu Werke gehen und auf seinen Kampfesmut setzen wird. Die boxerischen Fähigkeiten des Gelsenkircheners reichten jedoch seines Erachtens nicht aus, um den Sieg davonzutragen: "Vitali soll Charr ausboxen, so daß er ihn in der entscheidenden zweiten Kampfhälfte ausknocken kann." Wie lange sein Schützling noch im Ring zu sehen sein wird, weiß der 65jährige Trainer nicht. Vitali sei für sein Alter noch sehr gut in Schuß. Sollte sich daran nichts ändern, könne er im Prinzip noch ein paar Jahre boxen. Da jedoch der nächste Kampf stets der wichtigste sei, werde man danach weitersehen.

Am 28. Oktober tritt Vitali Klitschko mit seiner Partei UDAR bei der ukrainischen Parlamentswahl an. Bislang galt es als so gut wie sicher, daß er im Falle eines Einzugs ins Parlament die Boxhandschuhe an den Nagel hängen wird. Inzwischen will der Weltmeister jedoch nicht mehr ausschließen, noch einige Zeit zweigleisig zu fahren. Er verweist auf aktuelle Meinungsumfragen, denen zufolge die UDAR als drittstärkste Kraft bei zwölf bis 15 Prozent liege und damit die Fünf-Prozent-Hürde locker überwinden würde. Als Parteivorsitzender könne er also davon ausgehen, in Kürze Parlamentarier zu werden. Die Wahl des Bürgermeisters von Kiew, die für Klitschko ebenfalls eine politische Option ist, sollte schon 2011 stattfinden, ist aber erneut verschoben worden. Vitali Klitschko beklagt die Ungewißheit, fehlende Sicherheit und eine Regierung, die die Gesetze nach Belieben manipuliere. Auf stramm westlich ausgerichtetem Kurs möchten er und seine Parteifreunde das Land "nach Europa führen".

Hinter seinem Auftritt in Moskau politische Motive eines Wahlkämpfers zu vermuten, sei blanker Unsinn. Als Profi habe er noch nie in Rußland gekämpft und freue sich sehr darauf. Sein Bruder Wladimir und er seien dort sehr beliebt und hätten eine riesige Fangemeinde. Er habe sich dort niemals fremd gefühlt, zumal seine Mutter Russin sei. Politisch seien die beiden Länder getrennt, doch das Volk kenne diese Grenzen nicht, und Ukrainer seien in Rußland gerngesehene Gäste.

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Wladimir Klitschko bestätigt Kampf gegen Mariusz Wach

Wladimir Klitschko hat erstmals persönlich bestätigt, daß er seine Titel im Schwergewicht am 10. November in Hamburg gegen Mariusz Wach verteidigt. Im Vorgriff auf die offizielle Pressekonferenz in der nächsten Woche ging der 36 Jahre alte Weltmeister kursorisch auf die Besonderheiten des Herausforderers ein. Klitschko trifft erstmals in seiner Karriere auf einen Gegner, der mit 2,02 m etwas größer ist und ihn zudem an Reichweite übertrifft. Auch ist der Pole in 27 Kämpfen ungeschlagen und läßt sich als halbwegs unbeschriebenes Blatt recht gut vermarkten.

Wach hat zuletzt sieben Gegner in Folge vorzeitig besiegt und muß nun den Internationalen WBC-Titel niederlegen, um sich mit dem Champion zu messen. Als klarer Außenseiter habe er in dem bislang wichtigsten Kampf seiner Karriere nichts zu verlieren und könne ganz entspannt in den Ring steigen, hält der Pole den Ball vorerst flach. Wladimir Klitschko ist ihm mit einer Bilanz von 58 Siegen und drei inzwischen lange zurückliegenden Niederlagen an Erfahrung weit überlegen, wobei er im Laufe der Jahre so gut wie alle Kandidaten von Weltklasse in die Schranken gewiesen hat.

Vor vier Monaten ließ der Ukrainer Tony Thompson aus den USA in Basel keine Chance und besiegte ihn vorzeitig. In Hamburg hat Klitschko zuletzt am 2. Juli 2011 geboxt und sich damals mit einem deutlichen Punktsieg über den Briten David Haye den Gürtel der WBA gesichert. Er freue sich, zu seinem 23. Kampf um die Weltmeisterschaft in die Hansestadt zurückzukehren, rennt der Publikumsmagnet mit seiner Werbung um massenhafte Unterstützung sicher offene Türen ein.

24. August 2012