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MELDUNG/996: Chisora erhofft Milde der britischen Boxkommission (SB)




Schwergewichtler braucht auf Dauer eine britische Lizenz

Der britische Schwergewichtler Dereck Chisora, von deutschen Medien zumeist als "Skandalboxer" tituliert, mag in einem grauen Umfeld als Paradiesvogel hervorstechen. Sollte seine offiziell präsentierte Lebensgeschichte jedoch nur zur Hälfte stimmen, steht sein Image in derart krassem Widerspruch zu seiner sozialen Herkunft, daß man wohl nur von einer Schablone zum Zweck besserer Vermarktung sprechen kann. Chisora, der in Simbabwe geboren wurde und aus besten Verhältnissen stammt, wanderte Ende der neunziger Jahre mit seiner Mutter nach London aus, wo sich die beiden in einem noblen Vorort ansiedelten. Er sei als Schwarzer natürlich ein Außenseiter gewesen, so der Millionärssohn, den angeblich Langweile und Übermut ins kriminelle Milieu getrieben haben. Er wurde wegen illegalen Waffenbesitzes festgenommen und zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, von seinem Bewährungshelfer jedoch mit dem Boxsport bekannt gemacht.

Die stereotype Geschichte des Aufstiegs aus dem Ghetto läßt grüßen, wenngleich man im Falle Chisoras wohl eher von einer Enklave erlesenen Wohlstands sprechen muß. Der Junge sei ein Naturtalent gewesen, das allerdings erst Respekt lernen mußte, erinnert sich sein Trainer John Spencer. Wenngleich nicht auszuschließen ist, daß Chisora andernfalls ein böses Ende genommen hätte, klingt die Geschichte der Rettung vor der Verbrecherlaufbahn durch eine Karriere im Boxsport doch so altbacken, daß man sich nicht einmal um ihren Wahrheitsgehalt streiten mag.

International bekannt wurde der rüpelhafte Brite, als er im Februar 2012 Vitali Klitschko beim obligatorischen gegenseitigen Anstarren eine Ohrfeige verpaßte, Wladimir Klitschko später mit Wasser bespuckte und sich nach der Niederlage gegen den WBC-Weltmeister eine handfeste Prügelei mit seinem Landsmann David Haye lieferte. Was folgte, war eine hitzige Kontroverse um Sanktionen, in der nachvollziehbare Reaktionen mit moralgetränkter Entrüstung weit heftiger um die Vorherrschaft rangen, als es die Streithähne in ihrem Handgemenge vermocht hatten.

Das British Boxing Board of Control entzog Chisora die Lizenz, was ihn freilich nicht daran hinderte, im Juli 2012 mit seinem Intimfeind David Haye in den Ring zu steigen. Vor 30.000 Zuschauern im ausverkauften Upton Park, dem Stadion des Fußballklubs West Ham United im Osten Londons, bezog er durch einen spektakulären Knockout in der fünften Runde eine schmerzliche Niederlage. Man kann beiden Boxern attestieren, daß ihr turbulenter Kampf die in ihn gesetzten Erwartungen voll und ganz erfüllte. Allerdings hatte Chisora damit 15 Auftritte gewonnen, aber bereits vier verloren, davon zuletzt drei in Folge, so daß die Option, womöglich auch gegen Wladimir Klitschko anzutreten, endgültig vom Tisch war.

Dem Vernehmen nach kassierte Dereck Chisora mit etwa zwei Millionen Euro die Börse seines Lebens. David Haye soll sogar noch etwas mehr verdient haben. Frank Warren, der den Kampf vermarktete, hatte neben den unmittelbaren Einkünften noch einen anderen Plan im Sinn. Er wollte seinem hauseigenen Fernsehsender Boxnation, in dem bislang vor allem ausländische Kämpfe gezeigt worden waren, einen Schub geben.

Derzeit hofft der 29jährige Chisora, seine britische Lizenz zurückzubekommen, da er am 16. März einen Aufbaukampf bestreiten möchte. Er hat sich einem Anti-Aggressions-Training unterzogen, um der Kommission seine Kooperationsbereitschaft zu signalisieren. Das letzte Jahr liege für ihn weit zurück, und jetzt sei alles wieder gut. Er fühle sich großartig und wolle seine Karriere fortsetzen. Vermutlich mißt er sich im März mit einen relativ unbekannten Aufbaugegner. Im folgenden Schritt wünscht sich Promoter Frank Warren Kämpfe gegen Tyson Fury oder David Price. Er sehe großartige Möglichkeiten für britische Boxer, da das Schwergewicht mit David Haye, Tyson Fury und David Price so stark wie schon seit vielen Jahren nicht mehr sei.

Beim ersten Duell mit Fury im Juli 2011 trat Chisora schlecht vorbereitet und nicht in bester körperlicher Verfassung an. Daher ist Warren gutes Mutes, daß sein Schützling im Falle einer Revanche beste Aussichten hätte, in Hochform anzutreten und Tyson Fury das Nachsehen zu geben. Dereck habe die damalige Niederlage selbst verschuldet, da er die Vorbereitung auf die leichte Schulter genommen hatte und an jenem Abend dem besseren Mann unterlegen war. Beim nächsten Mal wolle er seinen Boxer in allerbester Verfassung sehen, so der Promoter.

17. Januar 2013