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MELDUNG/1440: Ein britisches Rauhbein hat Kreide gefressen (SB)




Tyson Fury will nicht länger provozieren

Der britische Schwergewichtler Tyson Fury hat beschlossen, sich fortan aller verbalen Ausfälle vor seinen Ringauftritten zu enthalten, die neben seiner Größe von 2,06 m bislang sein hervorstechendstes Merkmal waren. Er ist in 22 Kämpfen ungeschlagen und will auch am 26. Juli in Manchester seine weiße Weste behalten, wenn es zum zweiten Mal gegen seinen Landsmann und Erzrivalen Dereck Chisora geht. Im Jahr 2011 hat er den Londoner nach Punkten geschlagen, der sich seither in einer Achterbahnfahrt zwischen bitteren Niederlagen und ermutigenden Erfolgen als Europameister etabliert hat und Hoffnungen auf einen erneuten Kampf um die Weltmeisterschaft macht. Wenngleich für ihn neben 20 Siegen bereits vier Niederlagen zu Buche stehen, bezog er diese gegen Tyson Fury, Robert Helenius, Vitali Klitschko und David Haye. Daß er gefährliche Gegner meide, kann man ihm also gewiß nicht vorwerfen.

Gekämpft wird beim Duell der beiden Briten um die nationale und die Europameisterschaft sowie den internationalen Titel der WBO, deren Träger eine Chance gegen Wladimir Klitschko bekommen soll. Das sind für Fury Gründe genug, sich diesmal voll und ganz auf die Vorbereitung zu konzentrieren. Die Verbalattacken gehörten ab sofort der Vergangenheit an, versichert er. Da sein Kampfname ohnehin schon "der böse Junge des britischen Boxens" sei, sehe er keinen Grund, so weiterzumachen wie bisher. [1]

Vergangene Woche sei er nach London gefahren, um mit Chisora an einer Pressekonferenz teilzunehmen. Sollten die Leute dorthin gekommen sein, um zu sehen, wie er verbal austeile, hätten sie sich die Mühe sparen können. Es gehe um einen Kampf zweier britischer Schwergewichtsboxer, und er wolle nicht derjenige sein, der alles dafür tut, dieses Ereignis medial zu verkaufen - schließlich sei er ein Boxer und kein Promoter. Die Tage, in denen er so etwas gemacht habe, seien vorbei.

Woher der Sinneswandel rührt, vermag diese Stellungnahme nicht restlos aufzuklären. Gut möglich, daß Fury noch die entufernden Wortgefechte mit David Haye in den Ohren klingen, bei denen er nichts unversucht ließ, mit dem großmäuligen Rivalen gleichzuziehen. Herausgekommen ist dabei nichts außer einem verlorenen Jahr, da Haye zwei anberaumte Kampftermine wegen Verletzungen absagte. Fury, der in Erwartung eines vielbeachteten und lukrativen britischen Duells die Gelegenheit ausschlug, einen Ausscheidungskampf der IBF gegen Kubrat Pulew zu bestreiten, hatte aufs falsche Pferd gesetzt. Statt womöglich in greifbare Nähe eines Titelkampfs gegen Wladimir Klitschko zu gelangen, stand er mit leeren Händen da.

Diese Erfahrung könnte ihn dazu bewogen haben, das Werbetrommeln diesmal anderen zu überlassen und sich statt dessen lieber in der sportlichen Vorbereitung zu verausgaben. Er muß in Bestform antreten, will er dem seit ihrem ersten Aufeinandertreffen deutlich verbesserten Chisora Einhalt gebieten. Wie aus dessen Trainingslager verlautet, befinde sich der Europameister bereits in erstklassiger körperlicher Verfassung und komme bestens mit seinem über zwei Meter großen polnischen Sparringspartner Mariusz Wach zurecht, der schon mit Klitschko im Ring gestanden hat. Wenngleich diese Signale natürlich auch dem Zweck geschuldet sind, Fury zu irritieren, darf sich dieser nicht auf seine Statur und Masse verlassen.

Fury hat schon mehrfach von kleineren Gegnern ordentlich Prügel bezogen, bis er sie schließlich mit Brachialgewalt niederstreckte. Bei seinem Debüt in den USA am 20. April 2013 im New Yorker Madison Square Garden führte ihn der aus dem Cruisergewicht stammende Steve Cunningham anfänglich nicht nur vor, sondern brachte ihn sogar an den Rand einer vorzeitigen Niederlage. Der zwölf Jahre ältere, wesentlich kleinere und 20 Kilo leichtere US-Amerikaner schickte den Briten in der zweiten Runde auf die Bretter und traf ihn in der vierten erneut so schwer, daß sich Fury geraume Zeit nur durch Klammern zu helfen wußte. Erst als er seinen Gewichtsvorteil in der Nahdistanz einsetzte, sich auf den Gegner wälzte und diesen dadurch ermüdete, konnte er ihn in der siebten Runde stellen und besiegen.

Dereck Chisora hat David Haye im vergangenen Jahr einen hochklassigen Kampf geliefert, bis er sich den wuchtigen Schwingern des ehemaligen Weltmeisters geschlagen geben mußte. Er ist kein überragender Techniker wie Steve Cunningham, entfaltet jedoch einen enormen Angriffsdruck und sucht fortwährend die Lücke für seine wilden Schläge. Tyson Fury ist daher in der Tat gut beraten, zumindest für diesmal auf seine üblichen Tiraden zu verzichten und sich uneingeschränkt der Frage zu widmen, auf welche Weise dem Londoner in ihrem für beide Seiten wegweisenden Kampf beizukommen sein könnte.


Fußnote:

[1] http://www.boxen-heute.de/artikel/6098-vor-chisora-kampftyson-fury-will-bad-boy-image-ablegen.html

25. Juni 2014