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MELDUNG/1583: Klitschkos Feld frühzeitig bestellt (SB)




In New York gegen Bryant Jennings oder Shannon Briggs

Wladimir Klitschko verteidigt seine diversen Titel im Schwergewicht am 25. April in New York. Er trifft im Barclays Center in Brooklyn entweder auf Bryant Jennings oder Shannon Briggs, die in einem solchen Kampf beide als klare Außenseiter gelten. Der Ukrainer, für den 63 gewonnene und drei verlorene Auftritte zu Buche stehen, hat bereits 17 Herausforderern das Nachsehen gegeben. Jennings ist in 19 Profikämpfen ungeschlagen, Briggs kann mit 57 Siegen, sechs Niederlagen sowie einem Unentschieden aufwarten. Der Kampf wird vom Sender HBO übertragen.

Bryant Jennings ist erklärtermaßen erste Wahl, doch sollten die Verhandlungen scheitern, kommt Briggs als Ersatz ins Spiel. Da sich die beiden möglichen Herausforderer hinsichtlich ihrer Popularität in den USA kaum unterscheiden, macht es letztlich keinen großen Unterschied, wer den Zuschlag bekommt. Briggs ist den traditionellen Boxfans eher ein Begriff, die sich noch daran erinnern, daß er 1997 umstritten gegen George Forman gewonnen hatte und 2006 für kurze Zeit WBO-Weltmeister war.

Klitschkos letzter Herausforderer Kubrat Pulew galt als gefährlichster Gegner seit langem, mußte aber rascher als erwartet die Segel streichen. Daß der nächste Kandidat wesentlich besser abschneidet, ist nicht zu erwarten, weshalb allenfalls die Frage ansteht, ob Jennings oder Briggs etwas länger durchhalten und so dem Publikum eine unterhaltsamere Vorstellung bieten können.

Der Manager des Weltmeisters, Bernd Boente, zeigte sich erfreut über den geplanten Auftritt im Barclays Center. Wenngleich die Verträge noch nicht unterzeichnet seien, habe man sich doch bereits per Handschlag geeinigt und werde alles unter Dach und Fach bringen. Beide Seiten profitierten von diesem großartigen Ereignis, dem man gespannt entgegensehe. [1]

Sollte sich Klitschko durchsetzen, wovon auszugehen ist, stünde im nächsten Schritt ein Kampf gegen den britischen Pflichtherausforderer Tyson Fury an. Allenfalls auf dem Papier könnte das ein interessanteres Duell werden, da der 2,06 m große Brite aufgrund seiner Körpermaße gewisse Anforderungen an den Weltmeister stellen würde. Gegen Kubrat Pulew, der nicht viel kleiner als er war, konnte der Ukrainer seinen Jab nicht wie gewohnt etablieren und griff den Herausforderer statt dessen frühzeitig mit dem linken Haken an, der den Bulgaren bereits in der ersten Runde auf die Bretter schickte und in der fünften endgültig zur Strecke brachte.

Der in 23 Kämpfen ungeschlagene Tyson Fury hat sich mit einem Sieg über den erschreckend desolaten Dereck Chisora beim Verband WBO das Vorrecht gesichert, Wladimir Klitschko herauszufordern. Chisora war zwar amtierender Europameister, hatte aber seit seiner Niederlage gegen David Haye im Jahr 2012 keinen namhaften Gegner mehr bezwungen. Für Fury war dies ein sehr viel leichterer Weg, sich zu qualifizieren, als mit Deontay Wilder, Bryant Jennings, Alexander Powetkin, Andy Ruiz, Carlos Takam oder Kubrat Pulew in den Ring zu steigen.

Trotz seiner Position als offizieller Pflichtherausforderer bezweifelt Tyson Fury, daß Klitschko einen Kampf mit ihm bestreiten wird. Wenngleich diese Bedenken sicher nicht ganz aus der Luft gegriffen sind, ist die Begründung des Briten, der Ukrainer habe Angst vor ihm, kaum nachvollziehbar. Fury wechselte im Duell mit Chisora frühzeitig in die Rechtsauslage und hielt den Gegner vor allem mit seinem Jab auf Distanz, der zwar häufig traf, aber ansonsten keine nennenswerte Wirkung zeitigte. Daß der körperlich klar überlegene Favorit trotz seiner Dominanz nicht auf einen vorzeitigen Sieg drängte, legte einmal mehr nahe, daß er ungeachtet seiner imposanten Statur beträchtliche Probleme hat, einen Niederschlag herbeizuführen.

Wovor der Weltmeister also Angst haben sollte, kann wohl nur der Brite selbst beantworten. Dennoch erklärte er in einem Gespräch mit Skysports.com., es grenzte schon an ein Wunder, sollte dieser Kampf tatsächlich zustande kommen. Er sei absolut vom Gegenteil überzeugt, denn was immer die Promoter behaupteten, so habe er in den Augen des Champions doch Furcht gesehen. Klitschko werde es folglich nicht wagen, ihn als Herausforderer anzunehmen. [2]

Da Fury schwächer als Kubrat Pulew einzuschätzen ist, wäre es aller Voraussicht nach eher eine Pflichtübung, die Klitschko zwischendurch absolvieren könnte. Der Brite ist relativ langsam, verfügt über keinen guten Jab und kann keine gefährliche Schlagwirkung aufbieten. Er beschäftigte den deutlich kleineren und an Reichweite unterlegenen Chisora mit vergleichsweise harmlosen Schlägen, bis der chancenlose Londoner schließlich nach der zehnten Runde von seinen Betreuern aus dem Kampf genommen wurde. Dereck Chisora war in der Vergangenheit von fülliger Statur, was ihn nicht daran hinderte, mit ungestümen Attacken auf seine Gegner loszugehen und dabei den einen oder andern Glückstreffer zu erzielen. Diesmal machte er vom äußeren Erscheinungsbild her eine gute Figur, schien aber regelrecht übertrainiert und womöglich von der Gewichtsreduktion so geschwächt zu sein, daß er seine üblichen überfallartigen Attacken vermissen ließ.

Chisora wirkte alles in allem wie ein zweitklassiger Schwergewichtler, den die WBO aus nicht nachvollziehbaren Gründen mit einem ausgezeichneten Ranglistenplatz beschenkt hatte. Es dürfte das Kalkül des Verbands gewesen sein, mit einem Duell der rivalisierenden britischen Boxer den dortigen Markt abzugrasen. Die englischen Fans wären zweifellos begeistert, käme es zum Titelkampf zwischen Tyson Fury und Wladimir Klitschko, obgleich dieser absehbar in einem Massaker enden würde.

Fury wird unterdessen am 28. Februar in der Londoner O2 Arena einen Aufbaukampf bestreiten, für den er noch einen passenden Gegner unter den Top 15 sucht. Da der Brite seinen Status als Pflichtherausforderer des Weltmeisters natürlich nicht gefährden will, wird er sich wohl hüten, dabei ein Risiko einzugehen. Irgendein Kandidat ohne große Schlagwirkung sollte sich finden lassen, an dem sich der Riese mehr oder minder gefahrlos abarbeiten kann.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2014/12/wladimir-klitschko-to-fight-on-425-at-barclays-center-brooklyn-new-york/#more-185783

[2] http://www.boxingnews24.com/2014/12/fury-doubts-wladimir-will-face-him/#more-185759

19. Dezember 2014