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MELDUNG/1604: Neofeudale Machtkämpfe um das boxende Menschenmaterial (SB)




Aderlaß der taumelnden Golden Boy Promotions

Die von ihrem Eigner und Präsidenten Oscar de la Hoya angeführten Golden Boy Promotions haben offenbar den Rechtsstreit mit ihrem ehemaligen Geschäftsführer Richard Schaefer beigelegt. Demnach verliert das Unternehmen Deontay Wilder, Adrien Broner, Danny Garcia, Daniel Jacobs und Marcos Maidana an den Berater Al Haymon, behält jedoch unter anderem Amir Khan, Lucas Matthysse und Leo Santa Cruz, die zwar ebenfalls mit Haymon zusammenarbeiten, jedoch noch bei Golden Boy unter Vertrag stehen.

Der gebürtige Schweizer und ehemalige Banker Richard Schaefer hatte das Unternehmen gemeinsam mit Oscar de la Hoya aufgebaut. Ihm war es in erster Linie zu verdanken, daß Golden Boy zum Marktführer aufstieg. In Gestalt des Beraters Al Haymon, der im Hintergrund die Fäden zieht, ist eine Art graue Eminenz des US-amerikanischen Boxgeschäfts zum einflußreichsten Akteur aufgestiegen, der zahlreiche prominente Boxer unter Vertrag genommen hat. Daß es in zunehmendem Maße der Zustimmung Haymons bedurfte, um gewünschte Kämpfe zu organisieren, war einer der wesentlichen Gründe, die zum Streit zwischen De la Hoya und Schaefer und zu deren letztendlicher Trennung samt dem nachfolgenden Rechtsstreit führten.

Mit der jüngsten Einigung nimmt der absehbare Aderlaß der Golden Boy Promotions konkrete Züge an, wobei natürlich auch Khan, Matthysse und Santa Cruz nach Ablauf ihrer Verträge De la Hoya verlassen könnten. Schaefer wird dem Boxgeschäft offenbar für eine Frist von vielleicht ein bis zwei Jahren fernbleiben, könnte im Falle einer Rückkehr jedoch beispielsweise als Geschäftsführer der Mayweather Promotions dank seines guten Verhältnisses zu Al Haymon diesen Machtkomplex mit seiner Kompetenz und seinen über Jahre etablierten Beziehungen weiter verstärken. [1]

Oscar de la Hoya versucht offenbar, die gravierenden Verluste durch einen Neuaufbau zumindest soweit abzufedern, daß es nicht zum vollständigen Absturz seines Unternehmens kommt. Er hat vor wenigen Tagen zwölf Boxer neu unter Vertrag genommen, von denen es allerdings kaum einer zum künftigen Weltmeister bringen dürfte. Die bekanntesten Namen sind noch Yoshihiro Kamegai, der in der WBC-Rangliste im Weltergewicht an Nummer 14 steht, und der Leichtgewichtler Mercito Gesta.

Der Japaner lieferte Robert Guerrero im Juni 2014 einen Kampf über zwölf Runden, in dem er seinem prominenten Gegner erhebliche Schwierigkeiten bereitete. Allerdings machte es ihm Guerrero dabei recht leicht, da er vor ihm stehenblieb und häufig in den Seilen lehnte. Dadurch konnte Kamegai ständig Druck machen und seine Schlagwirkung ausspielen, doch würden ihn beweglichere Kontrahenten oder gefährliche Wühler wie Marcos Maidana wohl vor unüberwindliche Probleme stellen. Aller Voraussicht nach wird sich der Japaner noch einige Plätze in den Ranglisten verbessern, aber kaum an die Spitze gelangen oder gar einen Titel gewinnen.

Mercito Gesta mußte 2012 eine schwere Niederlage gegen Miguel Vazquez hinnehmen und hat seither nur zwei Kämpfe gegen die vergleichsweise schwachen Aufbaugegner Edgar Riovalle und Luis Arceo bestritten und gewonnen. Er wurde anfangs überschätzt und zeitweise sogar mit Manny Pacquiao verglichen, doch zeigte das Scheitern an Vazquez deutlich die Grenzen dieses Boxers auf, der auch in der Folge keinen Anlaß gab, von einer wesentlichen Weiterentwicklung auszugehen.

Die Neuverpflichtungen könnten Golden Boy unter Umständen auf lange Sicht etwas stabilisieren, doch droht Oscar de la Hoya den unausgesetzten Konkurrenzkampf schon vorher endgültig zu verlieren, sollte es ihm nicht gelingen, namhaftere Akteure an sich zu binden. [2]

Da selbst die renommiertesten Experten in ihren Beiträgen eine analytische Schärfe vermissen lassen, die über eine Spiegelung der vordergründigen Verläufe hinausreicht, fehlt es weithin an einer fundierten Einschätzung der aktuellen Entwicklung des US-amerikanischen Boxgeschäfts, geschweige den prognostischen Qualitäten. Immense Einkünfte einiger weniger Akteure wie insbesondere Floyd Mayweathers täuschen darüber hinweg, daß selten mehr als eine Million Fernsehzuschauer die bedeutendsten Kämpfe verfolgen, womit der Boxsport ein Nischendasein fristet, was seine Wahrnehmung in der Öffentlichkeit betrifft.

Die Fixierung auf das Bezahlfernsehen, das angesichts seiner hohen Kosten von 70 Dollar und mehr für eine einzige Buchung eine zahlungskräftige Klientel bedient, grenzt weite Teile der verarmenden Gesellschaft aus. Was wie ein Boom des zeitweise totgesagten Boxens anmuten mag, erweist sich als ein in Reaktion auf die Krise entfesselter Konzentrationsprozeß, der einen erbitterten Konkurrenzkampf zwischen den verfeindeten Sendern und Promotern losgetreten hat. Alles für die wenigen Sieger, nichts für die Heerschar der Verlierer, gebietet die vollendete Umsetzung der neoliberalen Doktrin im professionellen Boxsport, der de jure allen offensteht, doch de facto unüberwindliche materielle Grenzen setzt.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/01/golden-boy-settles-with-schaefer-haymon-gets-broner-danny-garcia-and-danny-jacobs/#more-186471

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/01/de-la-hoya-signs-kamegai-and-gesta-to-golden-boy-promotions-stable/#more-186457

11. Januar 2015


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