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MELDUNG/1615: Neuer Stern am Firmament des Schwergewichts (SB)




Deontay Wilder reitet auf der Woge des Erfolgs

Deontay Wilder hat erstmals seit 2007 wieder einen Schwergewichtstitel in die USA zurückgeholt, was für sich genommen schon ausreichen würde, ihm einen gewaltigen Popularitätsschub zu verleihen. Die souveräne Manier, in der er den WBC-Weltmeister Bermane Stiverne zwölf Runden lang ausgeboxt hat, entschädigt spielend für den erwarteten Niederschlag, den er dem Publikum schuldig geblieben ist. Zum einen ist der Kanadier in seiner Karriere noch nie am Boden gewesen, zum andern brach sich der US-Amerikaner bereits in der vierten Runde einen Finger der rechten Hand am Eisenschädel des Titelverteidigers, so daß er in der Folge nicht mehr mit voller Wucht zuschlagen konnte. Dieses Mißgeschick erlaubte es ihm, den Kampf mit einem hervorragenden Jab zu kontrollieren und damit eindrucksvoll zu belegen, daß er nicht nur über eine gefürchtete Schlagwirkung gebietet, der zuvor 32 Gegner frühzeitig zum Opfer gefallen waren. Kam Stiverne ausnahmsweise doch mit seinem gefährlichen linken Haken durch, steckte Wilder die Treffer ohne ersichtliche Probleme weg, womit er erstmals auch seine guten Nehmerqualitäten unter Beweis stellte.

Mit einer Größe von 2,01 m, aber nur 99 kg Gewicht bot der neue WBC-Champion überdies eine athletische Erscheinung, die zwar nichts über seine boxerischen Qualitäten oder die Kondition aussagt, aber bei Medien und Zuschauern gut ankommt. Damit nicht genug, gilt Wilder als eloquent und verkauft sich sehr gut in der Öffentlichkeit, so daß fürs erste keine Schwachstellen auszumachen sind, die seinem weiteren Aufstieg zu einem absoluten Star der Schwergewichtsszene im Wege stünden.

Wo hoch der Marktwert Wilders bereits ist, belegte seine Börse von einer Million Dollar, die selbst die 910.000 Dollar des Titelverteidigers übertraf. Inzwischen sind auch die Fernsehquoten des Kampfs in Las Vegas bekannt, der Showtime im Schnitt 1,24 und in der Spitze 1,34 Millionen Zuschauer bescherte. Dies war das beste Ergebnis des Senders seit dem Duell zwischen Miguel Cotto und Austin Trout vor drei Jahren. Das will etwas heißen, wenn man bedenkt, welche Branchengrößen sich bei Showtime ein Stelldichein geben. Dieses für US-amerikanische Verhältnisse ausgezeichnete Ergebnis wiegt um so schwerer, als Bermane Stiverne zwar in Las Vegas lebt, aber kein sonderlich bekannter Schwergewichtler mit einer großen Fangemeinde ist. [1]

Man kann sich ausmalen, wie hoch die Wogen der Publikumsgunst schlügen, träfe Wilder mit Tyson Fury oder gar Wladimir Klitschko im Ring zusammen. Möglicherweise förderte der Auftritt von Leo Santa Cruz im Vorprogramm das Interesse der Zuschauerschaft, da der WBC-Champion im Superbantamgewicht viele Fans mobilisieren kann. Allerdings wurde sein Kampf gegen Jesus Ruiz im Vorfeld als fehlbesetzt kritisiert, da der Mexikaner bereits zum zweiten Mal in Folge gegen einen schwach eingeschätzten Herausforderer antrat. Den Löwenanteil zur enormen Resonanz dieser Veranstaltung steuerte zweifellos Wilder bei, weshalb man davon ausgehen kann, daß sein Sprung ins Bezahlfernsehen nicht mehr lange auf sich warten läßt. Das ist um so bemerkenswerter, als Schwergewichtsboxen in den USA seit langem ein Schattendasein geführt hatte.

Indessen müßte der neue WBC-Weltmeister schon hochrangige Kontrahenten vor die Fäuste bekommen, zu denen man wohl auch Alexander Powetkin zählen kann. Wenngleich sich der Russe Wladimir Klitschko geschlagen geben mußte, gilt er spätestens seit dem Scheitern Kubrat Pulews wieder als gefährlichster Kandidat nächst dem Ukrainer und natürlich Deontay Wilder selbst, der momentan hoch im Kurs steht. Tyson Fury wäre von der Statur und dem Mundwerk her solange ein Herausforderer, der sich bestens vermarkten ließe, bis ihn der US-Amerikaner auf den Boden boxerischer Tatsachen herunterholen und auf die Bretter schicken würde, wo sich der Brite schon mehrmals wiedergefunden hat. Fury scheint jedoch eine absehbare Niederlage gegen Wladimir Klitschko vorzuziehen, dessen Pflichtherausforderer er beim Verband WBO seit dem Sieg über seinen Landsmann Dereck Chisora ist.

Viel wird also davon abhängen, ob Klitschko nach seinem Kampf gegen Bryant Jennings am 25. April im Madison Square Garden beschließt, sich sofort mit Wilder zu messen. Dieser muß zunächst seine Verletzung auskurieren und sich dann nach möglichen Alternativen umsehen, wobei er natürlich Gefahr läuft, von namhaften Konkurrenten gemieden zu werden. Da es Stiverne nicht gelungen ist, Schwachpunkte Wilders ausfindig zu machen, muß die Hoffnung anderer Schwergewichtler rapide gesunken sein, den aufstrebenden US-Star entzaubern zu können. Bis dieser tatsächlich Gefahr laufen könnte, mit den Schattenseiten des eigenen Erfolgs konfrontiert zu werden, dürften aber noch etliche Monate ins Land ziehen, in denen die Kommentatoren die Esse seiner Popularität gehörig anheizen.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/01/deontay-wilder-vs-bermane-stiverne-averages-1-24m-viewers-on-showtime/#more-187151

23. Januar 2015


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