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MELDUNG/1682: Unbehaglich zwischen den Stühlen (SB)



Julio Cesar Chavez trifft auf Andrzej Fonfara

Nach einer langen Pause kehrt Julio Cesar Chavez jun. am 18. April in den Ring zurück. Der ehemalige WBC-Weltmeister im Mittelgewicht trifft in Carson, Kalifornien, auf den Polen Andrzej Fonfara. Vereinbart wurde ein maximales Gewicht von 172 US-Pfund, so daß der Kampf im Halbschwergewicht ausgetragen wird. Der 29jährige Mexikaner hat den langwierigen Rechtsstreit mit Top Rank beigelegt und kann nun seiner Wege gehen. Goossen Promotion und Chavez Promotion arbeiten als Veranstalter zusammen, wobei Chavez und der zwei Jahre jüngere Fonfara beide bei dem einflußreichen Berater Al Haymon unter Vertrag stehen. Während für den Sohn der gleichnamigen mexikanischen Boxlegende 48 Siege, eine Niederlage und ein Unentschieden zu Buche stehen, hat der in Chicago lebende Pole bislang 26 gewonnene und drei verlorene Auftritte vorzuweisen.

Warum sich Julio Cesar Chavez ausgerechnet Fonfara ausgesucht hat und diesen Kampf in den höchsten Tönen als außerordentlich aufregend bewirbt, erklärt sich aus seiner mißlichen Situation. Offiziell tritt der Mexikaner im Supermittelgewicht an, wo er im Herbst mit Carl Froch in den Ring steigen will. Der Brite hält den regulären Titel der WBA und hat sich seit geraumer Zeit darauf versteift, seine ausklingende Karriere mit einem Duell gegen Chavez in Las Vegas zu krönen, da er an dieser legendären Stätte noch nie aufgetreten ist. Fonfara ähnelt Froch insofern, als beide mit aufrechtem Oberkörper zu boxen pflegen. Den Kampf gegen den Polen als gute Vorbereitung auf den Briten zu bezeichnen, wäre dennoch zu weit gegriffen.

Das eigentliche Motiv dürfte sein, daß Chavez gegen Andre Ward oder die Brüder Andre und Anthony Dirrell auf verlorenem Posten stünde. Der Mexikaner ist nicht schnell genug, um es mit den besten Akteuren im Supermittelgewicht aufzunehmen. Auch James DeGale und Arthur Abraham würden ihn wohl überfordern. Hingegen ist Andrzej Fonfara kein schwacher, jedoch ein vermutlich handhabbarer Gegner, der sich dem Publikum verkaufen und vor allem besiegen läßt. So verkündet Chavez denn, er fühle sich gut, sei wieder hungrig und motivierter als in der Vergangenheit. [1]

Der Mexikaner schlägt sich schon seit langem mit Gewichtsproblemen herum und müßte im Grunde dauerhaft im Halbschwergewicht antreten. Dort hat er jedoch keine Chance, sich gegen Sergej Kowaljow, Adonis Stevenson oder Artur Beterbijew durchzusetzen, die ihn mit Sicherheit auf die Bretter schicken würden. Selbst an Jürgen Brähmer, der den regulären Titel der WBA hält, dürfte er sich die Zähne ausbeißen. Chavez ist schlichtweg zu langsam für das Supermittelgewicht und zu schwach für das Halbschwergewicht, um sich in einer der beiden Klassen einen Titel zu sichern. Um dennoch wieder Weltmeister zu werden, müßte er abwarten, bis sich irgendwo die Gelegenheit bietet, auf denkbar leichtem Weg in den Besitz eines Gürtels zu gelangen. Wann und wo das sein könnte, ist derzeit jedoch überhaupt nicht abzusehen.

Natürlich könnte bereits Andrzej Fonfara in wenigen Tagen einen Strich durch solche Erwägungen machen, sofern er Chavez besiegt. Der Pole hat im vergangenen Jahr bei seiner Niederlage gegen Adonis Stevenson eine recht gute Figur gemacht und den WBC-Weltmeister zwischenzeitlich sogar zu Boden geschickt. Der Mexikaner setzte sich 2013 nur mit Hilfe wohlwollender Punktrichter gegen Brian Vera durch und überzeugte auch bei der Revanche im folgenden Jahr nicht wirklich. Dabei war Chavez körperlich derart überlegen, daß Vera schon deswegen mit massiven Nachteilen zu kämpfen hatte. Fonfara hingegen ist ein echter Halbschwergewichtler, der den Mexikaner möglicherweise allein schon aufgrund seiner Physis entzaubert.

Verliert Julio Cesar Chavez diesen Kampf, ist er für Carl Froch kein Thema mehr und steht mit leeren Händen da. Auch für Gennadi Golowkin würde es dann keinen Sinn mehr machen, gegen den wesentlich schwereren Mexikaner anzutreten. Böse Zungen sprechen deshalb davon, daß Chavez besser beraten gewesen wäre, sich von dem Kasachen auf die Bretter schicken zu lassen statt gegen Fonfara zu verlieren. Golowkin hat seit sechs Jahren sämtliche Gegner vorzeitig besiegt, weshalb es keine Schande wäre, deren Schicksal zu teilen. Dem Polen zu unterliegen käme hingegen einer Katastrophe gleich, da der ohnehin angeschlagene Ruf des Mexikaners dadurch irreparablen Schaden nähme.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/04/julio-cesar-chavez-jr-vs-andrzej-fonfara-this-saturday-april-18th/#more-190671

14. April 2015


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