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MELDUNG/1702: Leidensfähigkeit um jeden Preis (SB)



Manny Pacquiao muß unters Messer

Wie sich inzwischen bestätigt hat, laborierte Manny Pacquiao bei seiner Niederlage gegen Floyd Mayweather an einer Verletzung des rechten Schultergelenks, die er sich etwa zweieinhalb Wochen vor dem Kampf zugezogen hatte. Wenngleich dies seine auf den ersten Blick eher enttäuschende Vorstellung verständlicher macht, bleiben doch Fragen offen, die einer Klärung harren. Der zu Rate gezogene orthopädische Chirurg Dr. Neal ElAttrache aus Los Angeles diagnostizierte nach eingehender Untersuchung eine gravierende Raptur der Rotatorenmanschette, also jener Gruppe von vier Muskeln und Sehnen, die das Gelenk stabilisieren.

Da man davon ausgehen müsse, daß dieser Riß nicht von selber heilen werde, empfehle sich ein operativer Eingriff, um eine Verschlimmerung auszuschließen und die volle Funktionsfähigkeit des Gelenks wiederherzustellen. Verlaufe die Operation und Rehabilitation ohne Komplikationen, könne Pacquiao in sechs Monaten das Training wieder aufnehmen und voraussichtlich in einer Frist zwischen neun Monaten und einem Jahr in den Ring zurückkehren, so ElAttrache. Die Wahl war auf den namhaften Spezialisten gefallen, da er bereits so prominente Sportler wie Kobe Bryant (Basketball), Zack Greinke (Baseball), Tom Bradley (Football) oder die Boxer Vitali Klitschko und Andre Berto am Schultergelenk operiert hat.

Nach den Worten von Pacquiaos Berater Michael Koncz ist man nach dem Gespräch mit dem Spezialisten übereingekommen, seinem Rat zu folgen und den Eingriff in Los Angeles vornehmen zu lassen. Manny habe in diesem Kampf das Bestmögliche geleistet, was unter diesen Umständen möglich war. Dessen ungeachtet zolle er Floyd Mayweather Respekt, der an diesem Abend der Bessere gewesen sei und mit einer großartigen Vorstellung gewonnen habe, so Koncz. Damit ist eine Revanche endgültig ausgeschlossen, da Mayweather Mitte September seine Abschiedsvorstellung geben will.

Nach Version von Pacquiaos Promoter Bob Arum und seinem Trainer Freddie Roach hatte man nach der in der Sparringsphase aufgetretenen Verletzung eine Verschiebung des Kampfs in Erwägung gezogen. Da jedoch die ärztliche Behandlung gut angeschlagen habe, sei man gemeinsam übereingekommen, das mit ungeheurer Mühe auf den Weg gebrachte Duell wie vorgesehen auszutragen. Die nationale Anti-Doping-Agentur (USADA) sei über die Verletzung wie auch die von den Ärzten vorgeschlagenen Medikamente informiert worden und habe nach einer Überprüfung grünes Licht gegeben. Nach einer kurzen Unterbrechung habe man das Training unter Einsatz entzündungshemmender Medikamente vorsichtig wieder aufgenommen.

Nachdem sich Pacquiaos Beschwerden gebessert hatten, entschied er sich nach erneuter Konsultation der Ärzte und in Absprache mit seinem Team wie geplant zu verfahren. Man sei davon ausgegangen, die medikamentöse Behandlung bis unmittelbar vor dem Kampf fortsetzen zu können, zumal sie im Rahmen der obligatorischen Angaben gegenüber der aufsichtführenden Boxkommission von Nevada (NSAC) offengelegt worden war.

Am Kampfabend lehnten jedoch die Offiziellen der Kommission eine Medikamentengabe mit der Begründung ab, Pacquiao habe ihr gegenüber seine Schulterverletzung nicht angegeben. Wie der Vorsitzende der NSAC, Francisco Aguilar, geltend machte, habe der Philippiner im Fragebogen die speziell dafür vorgesehene Rubrik (Schulterverletzung) nicht angekreuzt. Man ziehe in Erwägung, ihn wegen dieser Unterlassung mit einer Geldstrafe zu belegen oder zu suspendieren. Es existiere ein erprobtes Standardverfahren, auf dessen Einhaltung man aus guten Gründen bestehe. Die Kommission sei erstmals um 18:30 Uhr des Kampfabends und damit viel zu spät von der nach wie vor akuten Verletzung in Kenntnis gesetzt worden.

Nach übereinstimmender Darstellung waren der Kommission die Trainingsverletzung und die medikamentöse Behandlung bekannt, wobei die USADA einer Medikamentengabe unmittelbar vor dem Kampf zugestimmt hatte. Offen bleibt demnach, warum Pacquiao die Verletzung auf dem Fragebogen nicht angekreuzt hat, worauf sein Team in der jüngsten Stellungnahme auch nicht einging. Wie Aguilar betont, hätte man andernfalls keine Einwände gehabt.

Bob Arum mußte sich der Frage stellen, warum der Kampf nicht verschoben worden war, zumal die Fernsehzuschauer bis zu 100 Dollar für die Übertragung und die Zuschauer in Las Vegas bis zu 10.000 Dollar für eine Eintrittskarte bezahlt hatten. Der Promoter rechtfertigte die Austragung mit den Worten, Sportler seien nie vor einer Verletzung gefeit. Man sei der Auffassung gewesen, die Verletzung so weit in den Griff bekommen zu haben, daß Pacquiao die rechte Hand angemessen einsetzen könnte. Um so enttäuschter sei man gewesen, als sich die Verletzung von der dritten Runde an wieder bemerkbar gemacht habe. So etwas passiere nun einmal in allen Sportarten. [1]

Während Arum den Vorwurf aus dem Feld zu schlagen versucht, man habe um der enormen Profite willen wissentlich einen verletzten Boxer antreten lassen und damit nicht zuletzt das zahlende Publikum hinters Licht geführt, bleibt Manny Pacquiao das beteiligte Opfer einer Verwertungsmaxime, die seine Leidensfähigkeit als integralen Bestandteil ihres Geschäftsmodells ausweist.


Fußnote:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/12821905/manny-pacquiao-surgery-significant-tear-rotator-cuff-right-shoulder

6. Mai 2015


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